Redebeitrag der Jugend im Kampf zum Klimastreik am 31.05.2024
„Mit dem Wahlalter ab 16 haben wir eine gewaltige Macht, um für Demokratie, eine klimagerechte Welt und progressive EU- Politik zu wählen und zu streiken !“
Mit diesen Worten wurde der heutige Klimastreik von FFF Leipzig beworben. Es sei an dieser Stelle eine simple Frage erlaubt: Wen? Wen sollen wir, die Jugendlichen ab 16 Jahren wählen, damit sich die EU endlich für eine „solidarische, antifaschistische und klimaneutrale Zukunft“ einsetzt, wie es in einem anderen Aufruf heißt? Erst vor wenigen Wochen hat sogar das Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg geurteilt, das Klimaschutzprogramm der Ampelregierung sei nicht einmal ausreichend, um die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen. Ziele wohlgemerkt, die nach Meinung zahlreicher Wissenschaftlerinnen ohnehin nie ausreichend waren, um die Pariser Klimaziele umsetzen zu können.
Fast das gleiche Urteil gab es schon mal: Den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021. Im Kern sagen sie das Gleiche aus: Seit der Gründung und den ersten Großdemos von FFF in Deutschland haben beide Bundesregierungen sich nicht nur vollkommen unzureichende Klimaziele gesetzt, sie haben nicht einmal genug getan, um diese Ziele umzusetzen! Mittlerweile haben alle großen Parteien die Chance gehabt selbst zu beweisen, wie egal ihnen das Klima ist, sobald sie erst einmal in der Regierungsverantwortung sind. Also noch einmal die Frage: Wen sollen wir wählen für mehr Klimaschutz in der EU, wenn selbst Urteile des Verfassungsgerichts oder die Pariser Klimaziele nach Belieben ignoriert werden können? Etwa Kleinstparteien, wie die Linke oder die Letzte Generation, damit sich immerhin ein oder zwei EU- Abgeordnete gegen die 29.000 Lobbyisten in Brüssel stellen?
Die nächste Frage, die sich uns stellt ist das warum? Warum sollten wir uns überhaupt an der Europawahl beteiligen? Das Europaparlament ist das einzige EU- Gremium, das überhaupt direkt gewählt wird. Den Rest des EU- Gesetzgebungsprozesses übernehmen der Europäische Rat und die EU- Komission. Und wann haben wir die nochmal direkt gewählt? Richtig, überhaupt gar nicht! Der ehemalige Präsident des EU- Parlaments Martin Schulz hat diesen Prozess passend zusammengefasst: „Wäre die EU ein Staat, der die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste der Antrag zurückgewiesen werden- aus Mangel an demokratischer Substanz.“
Die EU vereint Europa, das ist soweit nicht verkehrt. Allerdings ist sie in ihren Schaltzentralen in Brüssel und Straßburg hauptsächlich damit beschäftigt, die Lobbyisten der europäischen Großkonzerne mit politischen Entscheidungsträgern zu vereinigen. Korruption ist in der EU im Endeffekt nur der unbequeme, juristische Fachbegriff für Lobbyisten, die sich bei ihrer illegalen Einflussnahme erwischen lassen. Die EU plant an ihren Außengrenzen selbst minderjährige Geflüchtete in Haftlager zu stecken, für das vermeintliche Verbrechen nicht länger in ihrer Heimat bleiben zu können. Gleichzeitig duldet sie eine Frau, die in mindestens zwei Fällen Milliardenaufträge über ihr Diensthandy vergeben und betreffende Chats im Anschluss gelöscht hat, an der Spitze ihrer gesetzgebenden Kommission. Deutlicher kann keine Institution klar machen, für wen sie wirklich Politik macht! Ihr könnt gerne am 09. Juni zur Europawahl gehen, aber dann seit euch bewusst, dass durch eure Stimme der Menschenverachtung gegen Asylsuchende und der internationalen Wirtschaftskriminalität der EU ein demokratischer Anstrich verpasst werden soll und mehr nicht!
Warum sollte es in der EU auch anders laufen als in ihren Einzelstaaten? Deutschland fördert weiter Kohle, Deutschland spart weiter am Öffentlichen Nahverkehr und fördert weiter klimaschädliche Industriezweige mit Milliardensubventionen. Angeblich findet all das im Interesse der Allgemeinheit statt. Dabei ist es doch offensichtlich, dass dieses Allgemeininteresse nie etwas anderes war als eine Lüge. Eine Lüge, die die arbeitende Bevölkerung davon abhalten sollte zu anderen Mitteln als dem Wahlzettel zu greifen, sobald sie unzufrieden wird. Spricht die Politik vom „Wir“, dann meint sie damit nur uns, die arbeitende Klasse und ganz besonders deren Jugend.
Wenn es heißt „Wir alle müssen für das Klima kürzer treten“, dann sind damit immer nur diejenigen gemeint, die sich sowieso schon abkämpfen müssen, um sich Miete, Strom und Lebensmittel noch leisten zu können. Meine Entscheidung, ob ich mir von meinem angesparten Azubigehalt leisten möchte in den Urlaub zu fliegen, wird gleichgesetzt mit der Entscheidung der Regierung, den Bau eines neuen Tesla- Werks zu genehmigen, oder nicht. Zwischen diesen Entscheidungen liegt noch mehr, als nur der gewaltige Unterschied an dadurch verursachten Emissionen. Zwischen diesen Entscheidungen liegt vor allem ein Herrschaftsverhältnis. Und in einem solchen gewaltvollen Herrschaftsverhältnis kann es ein ehrliches “Wir” niemals geben!
Weder ein Olaf Scholz noch ein Robert Habeck haben in den letzten Jahren die Gürtel enger geschnallt, noch weniger die Vorstände bei RWE oder der Deutschen Bahn. Die europäischen Kapitalisten und ihre treuen Diener in den Parlamenten wirtschaften sich jedes Jahr dickere Diäten und Bonuszahlungen in die eigene Tasche. Währenddessen wird jedes Protestcamp gegen Autobahnausbau oder gegen neue Kohlegruben von ihren uniformierten Schlägertrupps geräumt. Fälle wie in Lützerath zeigen besonders gut, bis wo die Politik ihr scheinheiliges „Wir“ zieht: Bis zu dem Punkt, an dem das Interesse der Mehrheit der Gesellschaft dem der Kapitalisten widerspricht.
Dann wird das „Wir“ auf einmal ersetzt durch „die volle Härte des Rechtsstaats“. Und dieser Rechtsstaat kann uns alle treffen: Von Zwangsräumung bedrohte Menschen, Schwarzfahrer und friedliche Protestierende, nur nie die Ursula von der Leyens dieser Welt. Meine Genossinen gehen in den Knast, für Landfriedensbruch, Graffiti oder konsequenten Antifaschismus. Meine Genossinen werden auf offener Straße zusammengeschlagen, weil sie sich gegen einen Völkermord aussprechen! Korrupte Politiker lassen Milliarden an öffentlichen Geldern in der Privatwirtschaft verschwinden und wo landen die? An der Spitze der EU- Komission! Warum sollen wir mit unserer Stimme zu einer solchen Klassenjustiz beitragen, in der linke Aktivistinnen bestraft werden, während wir von Schwerkriminellen regiert werden? In einer Klassenjustiz kann es kein gesamtgesellschaftliches “Wir” geben, hier gibt es nur ein “Wir” gegen Die, Klima gegen Profit, Arbeit gegen Kapital!
Wir haben auf den Straßen gestreikt, um ignoriert zu werden, wir haben Wälder besetzt um aus ihnen rausgeprügelt zu werden, wir haben Zugeständnisse erkämpft, um zuzusehen wie keines davon umgesetzt wurde. Als Antwort auf dieses Ohnmachtsgefühl hat die Letzte Generation neue Protestformen etabliert und dafür werden sie als kriminelle Vereinigung verfolgt und verleumdet. Aktivistinnen der Letzten Generation treten sogar in den Hungerstreik um endlich ernstgenommen zu werden! Wolfgang Metzler- Kick verzichtet seit dem 07. März auf Essen, vorgestern haben seine Ärzte die Betreung abgebrochen, weil sie nicht für seinen absehbaren Tod verantwortlich sein wollen. Seine Forderung: Die Bundesregierung soll zugeben, dass angesichts des bereits ausgestoßenen CO2s ein viel radikaleres Umdenken notwendig wäre. Die Antwort von Scholz: Auf die Forderung wird nicht eingegangen, er soll einfach so den Streik abbrechen. Also wie deutlich wollt ihr es noch haben? Die Regierung lässt lieber einen 49- jährigen Mann verrecken, als auf euren demokratischen Forderungen einzugehen!
Klimaschutz geht nur revolutionär, er wird nicht mit der Kapitalistenklasse und ihren bürgerlichen Regierungen durchgesetzt, sondern gegen sie!Unsere durch und durch profit- und konkurrenzgetriebene Art zu produzieren, kann niemals nachhaltig sein. Ressourcenverschwendung und Raubbau an unserer Umwelt bleiben im Kapitalismus lukrative Geschäftsmodelle, innerhalb dieses Systems stehen wir der Klimakatastrophe chancenlos gegenüber. Eine wirklich zukunftsfähige Wirtschaft fußt auf der demokratischen Kontrolle der Produktionsmittel und einer Ausrichtung am Bedarf der Bevölkerung, statt an den Profiten einiger weniger.
Die Menschen, auf die wir jetzt zählen müssen, sitzen nicht in Vorständen und Parlamenten, sondern an unserer Seite in der Schule und im Betrieb! Forderungen nach einem besser ausgebauten Nahverkehr mit höheren Löhnen für dessen Angestellte können gut ignoriert werden, werden sie nur auf dem Papier gestellt. Aber wenn sich die Arbeiterinnen organisieren, wenn sie ihr gemeinsames Interesse an einer lebenswerteren Zukunft erkennen, dann können sie die Regierung vor eine einfache Wahl stellen: Entweder, die Bedingungen im Nahverkehr verbessern sich, oder es gibt bis dahin keinen öffentlichen Nahverkehr mehr! Das ist die Macht, die wir als arbeitende Bevölkerung in jedem Teil der Gesellschaft haben und die gilt es jetzt mehr denn je zu nutzen! Wir müssen endlich begreifen, dass wahre Demokratie nicht die durch wirkungslose Wahlen verschleierte Herrschaft einer Minderheit an Kapitalisten über die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung ist. Wenn wir wirklich unser Interesse an einer Zukunft auf diesem Planeten durchsetzen wollen, können wir uns dabei doch nicht allen ernstes auf genau die Politiker verlassen, die uns seit Jahren beweisen, für welche Seite sie sich im Zweifelsfall entscheiden! Wir müssen uns auf uns selbst verlassen!
Wir brauchen keine Jugend, die sich damit zufrieden gibt alle paar Jahre zu wählen, wer sie die nächsten vier Jahre lang anlügen darf! Wir brauchen eine Jugend der arbeitenden Klasse, die sich ihrer Macht bewusst ist und die diese organisiert einsetzt! Wir brauchen eine Jugend im Kampf!