Statement der RWL und JIK zum Nahost- konflikt

1. Einleitung

Es ist mittlerweile 8 Monate her, dass der Konflikt in Palästina erneut eskaliert ist und eine neue Dimension erreicht hat. Dass ausgerechnet jetzt unsererseits eine Positionierung erfolgt, wirft einige Fragen auf, denen wir uns stellen müssen. Auch wenn wir uns immer als antiimperialistisch verstanden haben, sind wir einer Stellungsnahme zu Palästina bisher aus dem Weg gegangen. Die Gründe hierfür sind opportunistischer Natur gewesen. Unsere Strukturen haben eine offene Konfrontation mit links-liberalen Kräften versucht zu meiden. Aufgrund des politisch vorherrschenden Narratives in Leipzig lag eine zeitige Diffamierung unserer Politik im Falle einer Positionierung zum Nahostkonflikt nahe. Diese taktische Entscheidung müssen wir heute als falsch betrachten. Nichtsdestotrotz wurde sie damals gefällt und jetzt sind wir bereit die Konsequenzen dafür zu tragen. Aufgrund des Wachstums und der Struktur unserer Gruppen, fiel es uns bisher schwer eine sorgfältige Positionierung, die von allen getragen wird, auszuarbeiten. Es ist kaum möglich alle Dimensionen dieses Konfliktes aus unserer Perspektive zu beurteilen, dieser Text ist daher der Versuch einer Einordnung.

Der massenhafte Mord und die Vertreibung des Palästinensischen Volkes, welcher durch die BRD massiv unterstützt wird, verlangt von uns, unsere Position nun öffentlich zu machen. Das folgende Statement ist eben diese Positionierung der Roten Wende und der Jugend im Kampf.

2. Der Zionismus

In Diskussionen zum sogenannten “Nahostkonflikt” wird Zionismus häufig mit der Notwendigkeit gleichgesetzt, Jüd:innen, die vor der Shoa aus Europa geflohen waren, eine neue Heimstätte geben zu müssen, in der sie nicht mehr eine unterdrückte Minderheit sein würden und daher auch sicher vor Verfolgungen wären. Die tatsächliche Geschichte des Zionismus geht jedoch nicht nur viel weiter zurück, zur zionistischen Ideologie und ihren Zielen gehört noch einiges mehr. Die Vertreibung und Unterdrückung der ursprünglich in Palästina heimischen muslimischen Bevölkerung war keinesfalls eine Antwort auf die Bedrohung, die diese angeblich für jüdisches Leben in Palästina darstellt, sondern gehörte als “Arabische Frage” zum zionistischen Diskurs, seit dieser sich auf die Kolonialisierung Palästinas als Hauptziel festgelegt hatte. Wir möchten daher im Folgenden einige Argumente dafür liefern, warum es für uns als Kommunist:innen unvermeidlich ist, den Zionismus als idealistische und inhärent rassistische Ideologie abzulehnen.

Auch unter der jüdischen Bevölkerung weltweit sind weder zionistische Ideologie, noch deren praktische Umsetzung im Staat Israel unumstritten, weshalb wir im Folgenden bewusst von “Zionisten”, nicht von “Jüd:innen” sprechen, denn ein wissenschaftlich begründbarer Antizionismus richtet sich gegen die Anhänger einer klar definierbaren politischen Ideologie und niemals gegen Menschen jüdischen Glaubens schlechthin.

Schon lange bevor Theodor Herzl 1896 sein Pamphlet “Der Judenstaat” veröffentlichte, das den modernen Zionismus maßgeblich beeinflusste, gab es immer wieder Bestrebungen, Jüd:innen aus aller Welt zur vermeintlichen Heimkehr nach Eretz Israel, dem alttestamentarischen Stammland des Judentums, zu bewegen (dessen genaue Grenzen sich je nach Quelle unterscheiden bzw. gar nicht erst genannt werden). Diese Pläne gingen auf Schilderungen aus dem Alten Testament zurück, die später u.a. auch im Talmud übernommen wurden, wonach es im 10 Jahrhundert v.Chr. im Nahen Osten ein jüdisches Königreich unter dem biblischen König David gegeben habe, aus dem die Jüd:innen vertrieben wurden. Die Existenz eines solchen Königreichs lässt sich wissenschaftlich nicht beweisen, ganz davon abgesehen, dass die heiligen Schriften des Judentums an keiner Stelle dazu aufrufen, in dieses Gebiet zurückzukehren, ohne dabei von einem gottgesandten Messiahs angeführt zu werden.

Konsequenterweise spielte diese religiöse Komponente im politischen Zionismus, der auf Herzl zurückgeht, nur eine untergeordnete Rolle. Neben seiner religiösen Motivation argumentierte er in erster Linie dafür, einen jüdischen Staat zu schaffen, indem die jüdische Gemeinde nicht als Minderheit verfolgt würde, sondern sie sich das gesamte Staatsgefüge nach ihren Vorstellungen einrichten und sich so vor Verfolgungen schützen könnte. Da Jüd:innen überall auf der Welt entrechtet und verfolgt wurden und werden, scheint diese Begründung naheliegend. Sie folgt dennoch dem Zeitgeist des aufkommenden Nationalismus des späten 19. Jahrhunderts. Einer Zeit, in der in allen Ländern auf der Welt versucht wurde den Klassenwiderspruch zu befrieden, indem auf Grundlage vermeintlicher sprachlicher, kultureller und religiöser Einheit ein alle Klassen einschließender Nationalstaat geschaffen werden sollte. Für uns als Kommunist:innen ist jedoch klar, das der einzige wirkliche Schutzraum vor jeglicher Unterdrückung nur eine klassenlose Gesellschaft sein kann.

Ursprünglich war Herzl nicht ausschließlich auf Palästina fokussiert, die zionistische Bewegung fasste auch Möglichkeiten für einen ausschließlich jüdischen Nationalstaat in Argentinien, Russland und vielen weiteren Regionen ins Auge. Als Ideologie, die vor allem von der Jüdischen Bourgeoisie, nicht vom jüdischen Proletariat, entwickelt und innerhalb der jüdischen Gemeinden verbreitet wurde, gelang es dem politischen Zionismus bald in ganz Europa mächtige Unterstützer für sein Anliegen zu finden. Großbritannien bot ihnen z.B. ein Gebiet im heutigen Uganda für ihre Staatsgründung an. In diesem Angebot, das vom Zionistenkongress in Basel 1903 abgelehnt wurde, zeigt sich auch ein weiteres, zentrales Charakteristikum des modernen Zionismus: Seine Geschichte ist untrennbar mit der des Kolonialismus verbunden. Neben den vorgeschobenen religiösen Interessen begriffen sie ihren Nationalstaat von Anfang an als ein koloniales Projekt, aus dem sich für sie große wirtschaftliche Vorteile ergeben würden und bei dessen Durchsetzung auf die Interessen der bisherigen Einwohner des neuen Staatsgebietes nicht weiter eingegangen werden müsse.

Letzteres zeigt sich vor allem an dem Mantra, das immer wieder genutzt wurde, um die Entscheidung für Palästina als zionistisches Staatsgebiet nach außen zu rechtfertigen: Es sei „ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land”. Die historische Entwicklung palästinensischer Kultur, des eigenen arabischen Dialekts und die gesamte Geschichte des palästinensischen Volkes wurden von Anfang an nicht nur nicht berücksichtigt, sondern nach außen hin komplett negiert. Wie bei der Etablierung eines zionistischen Staates in Palästina mit der einheimischen Bevölkerung umgegangen werden sollte, wurde euphemistisch als die “Arabische Frage” bezeichnet, für die die Zionisten zwei Lösungsansätze parat hatten: Entweder, das Land würde ihnen abgekauft, oder sie müssten gewaltsam vertrieben werden. Verteidigt wurde dieser Ansatz mit der stetigen Behauptung, die Palästinenser seien nichts weiter als “Araber” und könnten ohne weiteres in eines der umliegenden arabischen Länder umgesiedelt werden, sie hätten ohnehin nicht den gleichen historischen Bezug zu Palästina wie die Zionisten. Palästina war schon lange davor ein besetztes und multiethnisches Gebiet, auch unter dem Osmanischen Reich wurde ein palästinensischer Nationalstaat geleugnet und verhindert.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts erwarb der zionistische Jewish National Found systematisch Land in Palästina, das zu diesem Zeitpunkt größtenteils osmanischen Großgrundbesitzern gehörte, die sich zwar an den Pachtzahlungen bereicherten, darüber hinaus aber nur wenig Einfluss ausübten. Sobald das Land jedoch von den Zionisten erworben worden war, wurden die Palästinenser:innen nach und nach vertrieben. Das Land wurde von zionistischen Siedlern übernommen, Dies entsprach der eigenen Ideologie, laut der der Staat von “hebräischer Arbeit” auf “hebräischem Land” aufgebaut werden sollte. Die praktische Durchsetzung dieser Ideologie bedeutete, dass Zionisten einen Keil zwischen die jüdischen Gemeinden Palästinas und ihre arabischen Nachbarn trieben, indem sie die Jüd:innen teils durch Überzeugungen, teils durch körperliche Gewalt daran hinderten weiter Geschäftsbeziehungen jeglicher Art mit ihren Nachbarn zu unterhalten.

Dieser Prozess des Landkaufs ging nur schleppend voran: als Großbritannien mit der Balfour Deklaration 1917 seine Unterstützung für eine zionistische Staatsgründung in Palästina erklärt hatte, besaßen die Zionisten immer noch nur 2% des Landes und trotz zionistischer Aufrufe an Jüd:innen in aller Welt, stellten emigrierte Jüd:innen weit unter 10% der Gesamtbevölkerung Palästinas. Trotz der verschwindend geringen Minderheit, die sie im Land bildete, war das Ziel der zionistischen Bewegung so gut wie erreicht, als der Völkerbund Palästina 1920 unter ein britisches Mandat stellte. Was dieses Mandat für die palästinensische Bevölkerung bedeuten würde, hielt Winston Churchill bereits 1919 schriftlich fest: “There are the Jews, whom we are pledged to introduce into Palestine, and who take it for granted that the local population will be cleared out to suit their convenience.” (Expulsion of the Palestinians. The Concept of “Transfer” in Zionist Political Thought 1882-1948 S.15)

Der Landkauf der Zionisten stieß zunächst auf wenig Gegenwehr, die Zionisten waren nach den Osmanen und den Briten bereits die dritten Kolonialherren, die eine einzige Generation an Palästinenser:innen miterlebt hatte. Fremdehrrschaft war für sie daher keine neue Erfahrung. Die Überausbeutung durch die britischen Kolonialherren, später auch die Vertreibung durch die Zionisten, führten seit den 1920ern jedoch zu immer mehr Widerstand. Diese mündete in dem sogenannten “Arabischen Aufstand” von 1936-1939 . In ihren eigenen Kreisen gaben sich die Zionisten davon keineswegs überrascht, David Ben Gurion schrieb 1937 in einem Brief an Moshe Sharret (führender Zionist und Parteigenosse Gurions, später erster israelischer Außenminister und von 1954-55 Premierminister), dass er selbst als politisch bewusster Araber ebenfalls zu den Waffen gegriffen hätte, da das Ziel eines komplett zionistischen Palästinas zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als offensichtlich gewesen sei.

Nach außen hin war man allerdings sehr bemüht den Widerstand der palästinensischen Bevölkerung gegen ihre Ausbeuter und Vertreiber mit den Verbrechen des Nationalsozialismus gegen Jüd:innen in Europa gleichzusetzen, vor denen viele gerade erst nach Palästina geflohen waren. 1936 sprach Berl Katznelson angesichts der Bedrohung durch den palästinensischen nationalen Befreiungskampf in einer Rede vor Parteigenossen der Mapei von “Nazismus” als einem typischen Zeichen von “arabischer Blutlust”. Diese Vergleiche gehören seitdem zum Standardrepertoire der Zionisten, um jede Solidarisierung mit dem palästinensischen Widerstand mundtot zu machen. Währenddessen bediente man sich selbst faschistoider Methoden und Rhetorik, indem man die Palästinenser:innen wahlweise als “Kakerlaken” oder “Krebsgeschwür” bezeichnete, das es “wegzufegen” galt. Die Gewalt gegen die palästinensische Zivilbevölkerung durch alltägliche Übergriffe zionistischer Siedler und Terroranschläge der Lehi (Gründer Avraham Stern bezeichnete Palästinenser:innen als “Bestien der Wüste”), sollte bald ihren Höhepunkt in der Nakba von 1948 finden- die zionistische Art, ihre “Arabische Frage” zu lösen.

Quellen Abschnitt 2, Zionismus:

Zitate Absatz alle aus: Expulsion of the Palestinians. The Concept of “Transfer” in Zionist Political Thought 1882-1948 S. 5-38
Sethi, Arjun: Zionism & the British in Palestine (2007) web.archive.org/web/20071127070858/http…
Masalha, Nur: Expulsion of the Palestinians. The Concept of “Transfer” in Zionist Political Thought 1882-1948 (1992)
Pappe, Ilan: Die ethnische Säuberung Palästinas (2019)
Segev, Tom: Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels (2006)
Schnieper, Marlene: Nakba. Die offene Wunde. Die Vertreibung der Palästinenser 1948 und die Folgen (2012)
Krämer, Gudrun: Geschichte Palästinas. Von der Osmanischen Eroberung bis zur Gündung des Staats Israel (2006)

3. Die Nakba

Als Nakba (deutsch: Die Katastrophe) werden die systematischen Massaker und Massenvertreibungen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung bezeichnet, die von 1947- 1949 andauerten. Im Zuge der Nakba wurden mindestens 11 Stadtviertel und 531 palästinensische Dörfer zwangsgeräumt und größtenteils dem Erdboden gleichgemacht, über 800.000 Menschen wurden vertrieben. Sämtliche israelische Regierungen, sowie zahlreiche israelische Historiker leugnen bis heute, dass die Nakba überhaupt stattgefunden hat. Laut ihrer Version der Geschichte wurden die über 800.000 entwurzelten Palästinenser:innen nicht vertrieben, sondern verließen ihr Land freiwillig, um den Armeen Israels arabischer Nachbarstaaten im sogenannten “Israelischen Unabhängigkeitskriegs” Platz zu machen. Das Einzige, was diese geschichtsrevisionistische Erzählung bis heute international aufrechterhält, ist der Antisemitismusvorwurf, der immer im Raum steht, wenn Israel für seine Kriegsverbrechen kritisiert werden soll. Die systematische ethnische Säuberung von ganzen Landstrichen ist allerdings von zahlreichen Zeitzeug:innen beider Seiten, Beobachter:innen der UN, der britischen Armee, des Internationalen Roten Kreuzes und nicht zuletzt durch die Einsatzbefehle der Hagana/IDF nachweislich dokumentiert.

1939 hatte die britische Regierung unter dem Eindruck des Arabischen Aufstandes im MacDonald Weißbuch noch angekündigt, keine Gründung eines ausschließlich jüdischen Staates in Palästina mehr unterstützen zu wollen, sondern eines von Palästinenser*innen und jüdischen Emigrant:innen/ Geflüchteten gleichermaßen regierten Staates. Die Massenemigration zionistischer Siedler sollte von den britischen Mandatsträgern kontrolliert werden. Obwohl dieser Plan bis 1947 offiziell in Kraft war, scheiterte er am mangelnden Interesse der britischen Machthaber ihn tatsächlich durchzusetzen. Die Spannungen zwischen palästinensischem Widerstand und zionistischen Siedlern nahmen daher immer weiter zu und forderten Todesopfer. Bis Januar 1948 starben ca. 400 jüdische Bewohner:innen Palästinas , was David Ben Gurion dazu veranlasste die Weltöffentlichkeit vor einem “zweiten Holocaust” zu warnen. Im gleichen Zeitraum starben 1500 Palästinenser:innen bei Übergriffen durch militante Zionisten der Hagana, Lehi und Irgun.

Das Heraufbeschwören einer akuten Bedrohung für sämtliches jüdisches Leben in Palästina war schon damals ein großer Teil der zionistischen Propaganda, damals wie heute hat es eine solche Bedrohung zwar zum Teil in Worten, nie jedoch militärisch gegeben. Bis 1948 waren die Briten als Militärmacht im Land, während des arabischen Aufstandes hatte das Empire mehr Soldaten in Palästina stationiert als auf dem gesamten indischen Subkontinent. Nach dem Aufstand war der palästinensische Widerstand entwaffnet, ihre Führer getötet oder im Exil und ca. 10% der männlichen Bevölkerung im wehrfähigen Alter tot. Die paramilitärischen Verbände der Zionisten hatten nicht nur Waffen von den Briten erhalten, insbesondere die Hagana (Vorgänger der IDF) war von britischen Offizieren auch gründlich im Bekämpfen antikolonialer Aufstände ausgebildet worden.

Die Konflikte in Palästina waren dank Zeitungsberichten zwar durchaus international bekannt, sie spielten im öffentlichen Diskurs jedoch kaum eine Rolle, da der Diskurs Weltöffentlichkeit mit der beispiellosen Herausforderung konfrontiert war, einen Umgang mit der Menschenverachtung und den Gräueltaten der Shoah zu finden. Vor diesem Hintergrund wurde am 29. November 1947 die UN Resolution 181 verabschiedet, welche der jüdischen Minderheit 56,47% des ehemaligen britischen Mandatsgebietes (ohne Transjordanien) zusprach, obwohl zuvor nur 5,8% des Landes jüdischen Besitzer:innen gehört hatte. Die Verhandlungen zur Resolution wurden von allen Staaten der arabischen Liga boykottiert, in der Abstimmung stimmten diese geschlossen dagegen. Die Jewish Agency, die zionistische Organisation die bis zur offiziellen Staatsgründung politische und militärische Macht ausübte, nahm die Resolution an. Doch David Ben Gurion war klar: Die Grenzziehung würde letztendlich “durch Gewalt entschieden, nicht durch die Teilungsresolution”.

Laut der israelischen Geschichtsschreibung und allen, die ihr Glauben schenken, fielen Israels arabische Nachbarstaaten unmittelbar nach der Resolution in das Land ein, in ihrem antisemitischen Bestreben sämtliches jüdisches Leben in Palästina auszulöschen. Auch wenn die Rhetorik der Regierungen (vor allem Ägyptens) extrem war und nicht zwischen Zionisten und Jüd:innen differenzierte, ist es ein historischer Fakt, dass mehr als die Hälfte aller palästinensischen Dörfer und alle großen Städte im israelischen Staatsgebiet (Haifa, Jerusalem Akko, Jaffa, etc.) bereits von ethnischen Säuberungsaktionen der Hagana betroffen waren, bevor eine offizielle Regierungsarmee der arabischen Nachbarländer israelischen Boden betreten hatte.

Israels Kriegsgegner hatten erst kurz vor der UN Resolution selbst ihre Unabhängigkeit mühsam erkämpft und verfügten über keine Armeen, die Ausrüstung und Ausbildung der israelischen Hagana auch nur ansatzweise nahe gekommen wären. Nicht einmal zahlenmäßig hatten sie eine Chance: Im Sommer 1948 standen sich auf israelischem Staatsgebiet ca. 80.000 israelische und insgesamt ca. 50.000 arabische Soldaten (davon die Hälfte Freiwillige ohne jede Kampferfahrung) gegenüber. Die Entscheidung für den Krieg wurde in Israels Nachbarstaaten aus purem Selbsterhaltungstrieb der herrschenden Klasse getroffen: Man wusste, dass man der Hagana/IDF militärisch nichts entgegenzusetzen hatte. Weil die Berichte über das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung jedoch zu Massenprotesten in den eigenen Heimatländern führten, sahen sich deren Regierungen gezwungen wenigsten so zu tun, als würde man etwas dagegen unternehmen wollen, ohne dabei allzu viel zu riskieren. Die einzige gut ausgestattete Armee wäre die Jordaniens gewesen, doch in einem Geheimabkommen hatte der jordanische König Abdullah I. sich bereit erklärt, sich im Tausch gegen das Westjordanland aus den Kampfhandlungen weitestgehend herauszuhalten. Die israelische Version der Geschichte, man habe sich gegen eine Übermacht aus 7 arabischen Staaten gegen die eigene Vernichtung erwehren müssen, entspricht daher genausowenig der Wahrheit, wie die Propaganda der Regierungen der Nachbarstaaten, man habe die palästinensiche Bevölkerung schützen wollen.

Drei weitere Faktoren belegen diese Tatsache: Erstens geht aus ihrer Korrespondenz hervor, dass die israelischen Sicherheitskräfte sich nie Sorgen wegen ernstzunehmendem Widerstand gegen die Vertreibung der Palästinenser:innen machten, sondern nur darum, wie diese von der Weltöffentlichkeit aufgenommen wurde. Zweitens gab es schon 1948 mehrere Angebote der USA, einen Waffenstillstand auszuhandeln, verbunden mit Appellen die palästinensische Zivilbevölkerung solle verschont bleiben. Drittens ging die Nakba während des gesamten Krieges (mit wenigen, kurzen Unterbrechungen) weiter- die Hagana- und Irgun Truppen hatten also die Kapazitäten gleichzeitig die arabischen Invasoren abzuwehren und ethnische Säuberungen im Inland durchzuführen.

Diese Säuberungsaktionen waren sorgfältig geplant worden: Bis 1947 hatten zionistische Nachrichtendienste Dossiers über sämtliche arabische Siedlungen auf israelischem Staatsgebiet angefertigt, aus denen deren etwaige Waffenvorräte, geografische Lage, Zugänge, Straßenverläufe, wirtschaftliche Bedeutung uvm. hervorging. Diese Dossiers erhielten für jedes Dorf auch eine Liste von Einwohnern, die sich angeblich an dem Arabischen Aufstand beteiligt hätten. Diesen Listen kam eine besondere Bedeutung zu, nachdem am 10.03. 1948 der sogenannte Plan Dalet an die Offiziere der Hagana ausgegeben wurde. Dieser Plan sprach offiziell nur von der “Sicherung” sämtlicher Nachschubwege, Siedlungen und Grenzgebiete, durch die arabische Truppen vermutlich durchmarschieren würden. Sollte die palästinensische Zivilbevölkerung Widerstand leisten, waren die Offiziere angehalten, sie über die Landesgrenzen hinaus zu vertreiben. Das Problem daran: Weder der Begriff “Sicherung” noch der Begriff “Widerstand” waren genau definiert, sowohl aus Zeitzeugenberichten (zum Teil von beteiligten Soldaten selbst) als auch aus archivierten Einsatzbefehlen geht hervor, dass “Sicherung” in der Regel gleichbedeutend war mit “Räumung”. Dazu wandten die israelischen Truppen verschiedene Mittel an: Zum Teil wurde die Zivilbevölkerung mit Verweis auf Sicherheitsbedenken lediglich aufgefordert vorrübergehend ihre Dörfer zu verlassen, zum Teil wurden sie aktiv mit Warnschüssen und martialischen Lautsprecherdurchsagen vertrieben, es kam aber auch immer wieder zu blutigen Massakern, wie in Deir Yassin oder Sa’Sa.

Kamen israelische Truppen in ein Dorf, wurden zunächst alle “Männer wehrfähigen Alters” (also alle männlichen Bewohner zwischen 10-50) zusammengetrieben. Ein Geheimdienstinformant identifizierte diejenigen, die sich angeblich am Arabischen Aufstand 1936 beteiligt hatten, diese wurden sofort erschossen. Der Rest wurde größtenteils verhaftet, Frauen und Kinder (alle Mädchen und die Jungen unter 10 Jahren) entweder auf LKWs verladen oder einfach zu Fuß aus dem Dorf getrieben, ohne sie auch nur mit Wasser oder Nahrung auszustatten. Diese Praxis ist durch zahlreiche, voneinander unabhängige Augenzeugenaussagen aus verschiedenen Dörfern belegt, zum Teil auch von Aussagen der beteiligten Soldaten. Bis heute versucht die israelische Regierung die Massaker, die sie nicht mehr leugnen kann als bedauernswerte Einzelfälle darzustellen. Alle weiteren werden weiterhin geleugnet. Die Rhetorik der Besatzer hat sich seit der Nakba auch nicht großartig geändert: Selbstverständlich werden laut Einsatzbefehlen und darauf basierenden Pressemitteilungen nie wehrlose Dörfer, oder wie im Fall des Al-Shifa Komplexes in Gaza, Krankenhäuser angegriffen, sondern “feindliche Stellungen”. Es werden nie Zivilisten getötet, sondern immer nur “Kämpfer” und “Terroristen” (selbst wenn es wie im Fall von Al- Shifa 90 “Terroristen” bei einem Angriff sind) und bis heute verhaften israelische Sicherheitskräfte jedes Jahr über 700 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und halten sie zum Teil ohne jede Anklage jahrelang in Haft.

Auch wenn der Begriff Nakba sich im Kontext wissenschaftlicher Veröffentlichungen auf den Zeitraum um 1948 beschränkt, ist der Prozess der Vertreibung, Entrechtung und massenhaften Tötung von Palästinenser:innen heute keineswegs abgeschlossen. Die Masse der seit 1947 Vertriebenen und ihrer Nachkommen ist mittlerweile laut UNRWA auf ca. 5 Millionen Menschen angewachsen. Mit Ausnahme von Jordanien und dem Libanon (beide mit einigen Unterbrechungen) fühlte sich bis heute nie einer der arabischen Nachbarstaaten für diese Massen an Geflüchteten verantwortlich, sie wurden zum Teil mit Gewalt am Grenzübertritt gehindert und leben bis heute in den miserablen Bedingungen riesiger Flüchtlingslager. Selbst die UN sprach sich 1948 in der Resolution 194 für ein Rückkehricht der entwurzelten Palästinenser:innen aus.

Die Israelische Regierung weigert sich nicht nur diese Resolution durchzusetzen, sie hat seit dem 07. Oktober weitere 34.904 Menschen im Gazastreifen getötet, und 2 Millionen vertrieben, sowie über 70.000 Wohneinheiten im Gazastreifen komplett zerstört und 800 Hektar Land im Westjordanland zum Staatsgebiet für den weiteren Siedlungsbau erklärt (Stand 09. Mai 2024). Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung werden blockiert und angegriffen, die meisten Krankenhäuser in Gaza sind überhaupt nicht mehr funktionsfähig, im Rest herrscht Mangelwirtschaft, die bereits jetzt täglich Menschenleben fordert. Israelische Politiker denken bereits laut über eine zionistische Besiedlung der zerstörten Gebiete in Gaza nach und wie schon 1948 werden Palästinenser:innen im Norden des Gazastreifens beim Versuch getötet, in ihre verlassenen Häuser zurückzukehren. Die israelische “Militäroperation” seit dem 07. Oktober bewirkt nicht die Vernichtung der Hamas, sondern fordert in erster Linie tausende zivile Todesopfer. Das haben auch die Israelis gemerk: aktuell gehen Tausende auf die Straße, die aus Sorge um ihre in Gaza in Haft befindlichen Angehörigen eine Waffenruhe mit Gefangenenaustausch zu fordern. Was aktuell in Palästina passiert ist die Fortsetzung der Nakba, die Katastrophe, die für die 5 Millionen vertriebenen Palästinenser:innen nie zu Ende gegangen ist, insbesondere nicht für die Einwohner:innen Gazas, die seit den ersten Luftschlägen Israels 1948 regelmäßig bombardiert werden.

Quellen Abschnitt 3) Nakba:

Fisk, Robert. Pity the Nation. Lebanon at War (2001)
Pappe, Ilan: Die ethnische Säuberung Palästinas (2019)
Morris, Benny: The Birth of the Palestinian Refugee Problem Revisited (2004)
Schnieper, Marlene: Nakba. Die offene Wunde. Die Vertreibung der Palästinenser 1948 und die Folgen (2012)
Krämer, Gudrun: Geschichte Palästinas. Von der Osmanischen Eroberung bis zur Gündung des Staats Israel (2006)
dw.com/de/kinder-hinter-gittern-isr...
aljazeera.com/news/2024/3/20/israel...
nzz.ch/international/israel-praesen...
Palästinensisches Gesundheitsministerium: Täglich veröffentlichte Statistik der Toten und Verletzen: moh.gov.ps

4. Palästinensischer Widerstand nach dem Sechstagekrieg

Als sich im Mai 1964 die Palästinensische Befreiungsorganisation (kurz PLO) gründete, formierte sie sich als die Vertretung des arabischen Volkes Palästinas. Unter der Führung Jassir Arafats wurde das Nationalbewusstsein der Palästinenser:innen wiederbelebt und gestärkt. Infolge der Vertreibungen von Teilen der palästinensischen Bevölkerung während des Sechstagekrieges entwickelte sich der bewaffnete Widerstand gegen Israel unter Führung der PLO. Als 1987 der erste gemeinsame Aufstand (arabisch: Intifada) der Bevölkerung in den besetzten Gebieten ausbrach, war dieser nicht mehr auf einzelne bewaffenete Gruppen wie die Al Fatah konzentriert. Hunderttausende beteiligten sich an Demonstrationen und Blockaden gegen die Besatzungsmacht, das palästinensische Proletariat in Israel beteiligte sich mit Streiks. Die verschiedenen Strömungen des palästinensischen Widerstands waren geeint. Diese Stimmung übertrug sich auf den Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft, der Mujama al-Islamiya. Ursprünglich konzentrierte sich die Strategie darauf, durch Erziehungsarbeit und Wohlfahrt eine “Islamisierung” der Gesellschaft voranzutreiben. Durch die innere Befreiung und durch den Glauben sollte irgendwann auch die äußere Befreiung von der Besatzung folgen. Diese Stimmung änderte sich durch die Intifada 1987 und ein politischer Arm gründete sich: Die Hamas. Bei den Organisationen der PLO handelte es sich (in Tradition des palästinensischen Widerstandes) um weltliche, säkulare und auch sozialistische Gruppierungen wie der PFLP und DFLP. Dabei wurde die Mujama vom israelischen Staat (im Gegensatz zu den säkularen, revolutionären Kräften) anfänglich eher mit Wohlwollen betrachtet.

Ein Wendepunkt in der Geschichte war das Ende der Intifada und die Verhandlungen der PLO unter Arafat mit dem israelischen Staat. In den Osloer Verträgen wurde eine Verwaltung der besetzten Gebiete unter der Palästinensischen Autonomiebehörde ausgehandelt. Anfänglich wurde das von den Menschen in den besetzten Gebieten als Fortschritt angesehen. Später wurde aber deutlich, dass eine Einigung nicht in Sicht war, denn der radikale Siedlungsbau und die Vertreibungen der Ortsansässigen gingen gnadenlos weiter. Der neue Palästinensische “Staat” war weiterhin besetztes Land. Die linken Kräfte innerhalb der PLO sowie die Hamas deuteten die Osloer Verträge daher als Irrweg und führten den bewaffneten Kampf mit der israelischen Besatzungsmacht weiter. Die Korruption innerhalb der Fatah, sowie die politische Sackgasse durch die Osloer Verträge, die eine Zweistaatenlösung unmöglich machten, sorgten dafür, dass der bewaffnete Widerstand wieder Anklang als Notwendigkeit bei den Palästinenser:innen fand. Die hier geführten Kämpfe, bei der sich die Militanz des Widerstands im Gegensatz zur ersten Intifada deutlich intensivierte, gingen ab 2000 als zweite Intifada in die Geschichte ein.

Bis 2005 führte der kontinuierliche Kampf dazu, dass die israelische Regierung Siedler aus Gaza abzog, da die Kosten der Besatzung in weite Höhe gestiegen waren. Danach konzentrierte sich der Siedlungsbau auf Jerusalem und das Westjordanland. Der Wahlsieg in Gaza der Hamas 2006 fundierte auf diesem militanten Widerstand, der den vielen Menschen in den besetzten Gebieten in Anbetracht der zionistischen Aggression als einzige Option blieb. Eine Intervention der Fatah (unterstützt von Israel und der USA) mit dem Ziel die Hamas im Gazastreifen zu zerstören und die neue Regierungsbildung zu verhindern, scheiterte. Die Reaktion Israels war eine Blockade des Gazastreifens. Weder die Hamas im Gazastreifen, noch die Fatah in der Westbank konnten als Regierungen die Lage der Menschen wirklich verbessern. Die Grenzen waren dicht bis auf wenige Güter, deren Einfuhr unter strenger Aufsicht der israelischen Armee lag. Der Zustand im Gazastreifen verschlechterte sich und bald herrschten auch hier Unterdrückung der politischen Opposition und Korruption wie unter der Fatah. Diese Umstände gehen mit den Verhältnissen einer Besatzung einher.

Als Israel wiederholt durch Bombadierungen die öffentliche Infrastruktur Gazas teilweise zerstörte und die gnadenlose Blockade grundlegende Funktionen des Gemeinwesens beschränkte, schien eine Einheitsregierung von Hamas und Fatah wieder attraktiver zu werden. Die USA und die EU hatten auch Bedingungen für ihre Bereitschaft gestellt bei Verhandlungen zu vermitteln (Israel wird anerkannt, der bewaffnete Kampf wird eingestellt, bereits bestehende Abkommen werden eingehalten). Am 17.Juli 2014 startete eine große militärische Operation Israels, die diese Einheitsregierung verhinderte. Die Hamas antwortete mit dem dem ersten Beschuss auf israelische Ziele seit 2012. Dies wurde mit einem Bombardement der eingeschlossenen Bevölkerung quittiert, die Hamas konnte ihre sinkende Popularität durch ihren Widerstand wieder ausgleichen. Die Fatah fürchtete, dass nun auch ihre Autonomiebehörde als reine Kollobateure der Besatzer erkannt und damit zum Angriffsziel werden könnten. Ein Grund, warum auch die Wahlen 2021 im Westjordanland abgesagt wurden. Die weitere israelische Siedlungspolitik im Westjordanland und in Ostjerusalem, sowie militärische Angriffe auf Ziele im Gazastreifen, sorgten für drastische Zuspitzungen vor den Ereignissen des 7.Oktobers 2023.

Quellen Absatz 4) Palästinensischer Widerstand nach dem Sechstagekrieg:

www.aljazeera.com/news/2003/12/9/the-fi…
www.middleeastmonitor.com/20190815-reme…/
www.aljazeera.com/news/2023/9/13/what-w…

5. Lage der Palästinenser:innen

Seit Staatsgründung Israels, versuchten zahlreiche Aktivist:innen aufzuzeigen, dass ethnische Separation fester Bestandteil der zionistischen Ideologie ist. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Right Watch und Amnesty International veröffentlichten vor kurzem (April 2021 und Februar 2022) Berichte, die dem israelischen Staat Apartheid vorwerfen. Für arabische Israelis, die mit ca. 20 % die größte Minderheit stellen, gilt das Zivilrecht. Trotz der formellen Staatsbürgerschaft, sind sie z.B bürokratischer Willkür ausgesetzt, die sie zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Selbst arabische Abgeordnete dürfen nicht die Definition des Staates als „jüdischen Staat“ infrage stellen, und entsprechend auch nicht jene 65 Gesetze kritisieren, die ihre rassistische Unterdrückung legitimieren. Ein Großteil der Arabischen Bevölkerung Israels versteht sich als palästinensisch.

Aber vor allem die ca. 4,5 Millionen Palästinenser:innen in den besetzten Gebieten (Westjordanland, Golanhöhlen, Ostjerusalem, Gazastreifen) sind permanenter Vertreibung und der brutalen Willkür der Besatzungstruppen und bewaffneter Siedlergruppen ausgesetzt. Um die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung in den Besetzten Gebieten einzuschränken, existieren ein 700 km langer Grenzzaun und unzählige Checkpoints, die die Militärverwaltung sichern sollen. Die Auflagen (in Bezug auf Wohnungsbau, Wasserversorgung und Verkehrswege) der Besatzer entrechten die palästinensische Bevölkerung. Die daraus resultierende Verelendung zwingt die Bewohner:innen immer wieder zum Verlassen ihrer Heimat. Das alles hat die Funktion, den Zugriff auf Land und Territorium für die Siedlergesellschaft zu ermöglichen, indem das Land von der indigenen Bevölkerung zur Siedlergesellschaft übergeht. Es muss festgestellt werden, dass die Natur des Konflikts unter ihrem religiösen Deckmantel eine siedlerkoloniale ist.

Es ist richtig den israelischen Staat als Apartheidsregime zu benennen. Aus materialistischer Sicht, ist die Apartheid eine Dynamik eines siedlerkolonialen Staates. Die andauernde israelische Expansion, sowie die Kontrolle um die demographische Zusammensetzung der Bevölkerung ist kein zeitlich begrenztes Ereignis sondern die Regel. Angesicht dieses Überlebenskampfes der Palästinenser:innen ist der bewaffnete Widerstand eine logische Konsequenz und steht im klaren Kontext eines nationalen Befreiungskampfes. Der bewaffnete Kampf ist angesichts der Tatsache, dass die Okkupanten einen der mächtigsten Militärapparate (mit Rückendeckung des westlichen Imperialismus) in der Region unterhalten, nicht mit einem Krieg zwischen zwei Fraktionen zu vergleichen, wie es die bürgerlichen Medien tun. Sich gegen Kolonisatoren und Besatzer zu wehren ist gerechtfertigt und notwendig. Die Hamas nimmt in diesem Widerstand eine Doppelrolle ein: Zum einen ist sie als starke militärische Kraft und Verwalterin der zivilen Infrastruktur (Krankenhäuser, Verteilung von Hilfslieferungen, etc.) überlebenswichtig für den palästinensischen Widerstand und das palästinensiche Volk generell. Auf der anderen Seite vertritt sie als als religiös geprägte, bürgerlich- konservative Partei politische Ziele, die unseren sozialistischen klar widersprechen.

Der israelische Staat und seine Propaganda nutzen die Ereignisse vom 07. oktober 2023 als Legitimation, um die Verbrechen gegen die Menschen im Westjordanland und in Gaza mit voller Härte durchzuführen. Die Narrative von den “menschlichen Tieren” werden von der bürgerlichen westlichen Presse geteilt und durch rassistische Hetze aufgeladen. Schließlich sollen der Widerstandswillen und der Traum von nationaler Selbstbestimmung der Palästinenser endgültig gebrochen werden. Wer die aktuellen Ereignisse als “notwendige Militäroperation” rechtfertigt, sagt im Umkehrschluss das palästinensische Leben sei weniger wert. Der Bombenterror und die Bodenoffensive der IDF verwandeln Gaza in eine einzige Kraterlandschaft. Durch die totale Blockade und die Angriffe ist das gesamte Gemeinwesen Gazas (Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Klärwerke, Kraftwerke, UN Einrichtungen…) und die Versorgung der Bevölkerung beinahe vollständig zusammengebrochen. Schon 34.904 Palästinenser:innen (etwa die Häfte davon Kinder und Frauen) wurden ermordet, über 8000 werden vermisst und 78.514 sind verletzt (Stand 09. Mai 2024). 85 % der Bevölkerung des Gazastreifens mussten innerhalb des Freiluftgefängnisses fliehen. Wer immer noch israelischen Kriegspropaganda Vertrauen schenkt, dass ein Großteil der Ermordeten entweder legitime “terroristische” Angriffsziele oder Kollateralschäden sind, ist nichts weiter als ein Rassist. Durch die Blockade herrscht eine Hungersnot die die Todeszahlen wohl weiter in die Höhe treiben wird. Auch im Westjordanland hält der Terror von militanten Siedlern und der IDF an, über 400 Tote und 5000 Verletzte sind bisher zu verzeichnen. Ein Waffenstillstand scheint anhand der aktuellen Lage und dem Zerstörungswillen des reaktionären Regierungsbündnis unter Netanjahu unrealistisch. Wir als Kommunist:Innen und Feminist:innen müssen hierbei verdeutlichen, das sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe sowie das gezielte Töten von Zivilist:innen auf Schärfste zu verurteilen ist, egal auf welchem Kriegsschauplatz und von welcher Seite.

Zusätzliche Quellen Abschnitt 5) Lage der Palästinenser:innen:

adalah.org/en/content/view/7771
amnesty.ch/de/laender/naher-osten-n

6. Abschluss

Das Verhältnis des Staates Israel zum Volk der Palästinenser:innen ist seit Jahrzehnten geprägt von Vertreibung und Unterdrückung. Spätestens seit sich die israelische Regierung mit dem Nationalstaatsgesetz von 2018 auch ganz offiziell ein Grundgesetz geschrieben hat, laut dem das zionistisches Projekt (trotz aller Kritik auch von Jüd:innen aus dem In- und Ausland) als ausschließlich “jüdischer Staat” verstanden wird, der der palästinensischen Bevölkerung kein Recht auf nationale Selbstbestimmung einräumt, müssen auch die letzten Utopisten einsehen: Eine friedliche Zweistaatenlösung kann und wird es in Palästina nicht geben. Davon abgesehen wäre es rassistisch und anmaßend, die Palästinenser:innen zuerst aus ihrer Heimat zu vertreiben, jahrzehntelang zu unterdrücken und zu ermorden, nur um ihnen dann einen kleinen Teil ihrer Heimat zu nationalen Selbstverwaltung wieder zurückzugeben. Die Perspektive für die wir uns als Kommunist:innen einsetzen müssen, ist ein auf den Grundsätzen des Sozialismus aufgebauter Einheitsstaat Palästina, säkular regiert vom gesamten Proletariat, dass das Land zwischen Jordan und Mittelmeer als seine Heimat bezeichnet. Nur ein solcher Staat wäre in der Lage auf den Grundsätzen von Solidarität und Klassenbewusstsein eine Einheit zu schaffen, die alle religiösen, ethnischen, sprachlichen, etc. Identitäten der Region friedlich zusammenbringt.

Auch wenn die Medienhetze uns glauben machen will, der palästinensische Widerstand bestünde nur aus reaktionären Fanatisten, gibt es bereits jetzt Kräfte vor Ort, die genau für dieses Ziel kämpfen. Selbstverständlich gäbe es für Parteien wie die Hamas oder den Islamischen Jihad keinen Platz in einem sozialisitischen Palästina. Bis dahin scheint es am ratsamsten, sich auf die politische Analyse der Genoss:innen vor Ort zu verlassen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Zweckbündnis gegen den gemeinsamen Unterdrücker für unumgänglich halten. Für uns als Kommunist:innen ist darüber hinaus klar, dass weder die Befreiung des palästinensischen Volkes im allgemeinen, noch dessen Frauen und unterdrückten Geschlechter mit einem Sieg über den israelischen Staat abgeschlossen wären. Unterdrückung, patriarchale Gewalt und Rollenbilder werden weiterhin Bestand haben. Freiheit von Ausbeutung und Unterdrückung, sowie die Überwindung patriarchaler Rollenbilder und der Gewalt, mit der sie durchgesetzt werden, ist nur im Sozialismus möglich.

Der Nahostkonflikt ist kein Kampf zwischen “den Muslimen” und “den Juden” um ihr jeweiliges heiliges Land, es ist ein kolonialer Konflikt zwischen einem seit Jahrhunderten von imperialistischen Mächten (Briten, Osmanen, etc.) unterdrückten Volk und seinem aktuellen Kolonisator, den Zionisten, die sich eigenmächtig zu Vertretern aller Jüd:innen weltweit erklärt haben, ohne die zahlreichen klassenbewussten, antizionistisch eingestellten Jüd:innen dabei zu berücksichtigen. Gerade auf das kritisch denkende und klassenbewusste israelische Proletariat kommt es jetzt mehr denn je an. Wird in Deutschland von der “Israelischen Linken” gesprochen, mit der es sich zu solidarisieren gelte, sind meistens linksliberale Zionisten gemeint, die Israelfahnen schwenkend gegen die rechtsextreme Netanyahu- Regierung demonstrieren, in der Hoffnung die israelische Regierung möge die Beschränkung von Menschenrechten doch weiterhin den Palästinenser:innen vorbehalten. In einem Land, das von Anfang an von Chauvinisten aufgebaut und regiert wurde, ist es kein Wunder, dass selbst die kritischsten und sich selbst als sozialistisch verstehenden israelischen Linken chauvinistische Vorurteile über ihre arabischen Nachbarn übernommen haben (s. dazu auch “Palästina in israelischen Schulbüchern” Peled- Elhanan, Nurit. 2020 oder Veröffentlichungen der Maki- Partei). Trotzdem gibt es auch in Israel palästinasolidarische Genoss:innen, die beginnen müssen von innen gegen die Übermacht des zionistischen Militärapparats vorzugehen, gegen den der palästinensische Widerstand alleine kaum eine Chance hat.

Auch von Deutschland aus muss der Protest gegen das Massensterben in Gaza und die zahlreichen weiteren historischen israelischen Kriegsverbrechen noch viel lauter werden. Immerhin haben sich die deutschen Rüstungsexporte nach Israel seit dem 07. Oktober fast verzehnfacht, die israelischen Zionisten sind also bei weitem nicht die einzigen, die vom Sterben in Gaza profitieren. Bislang wurde der Widerstand dagegen in der BRD hauptsächlich Palästinenser:innen in der Diaspora überlassen, die seit dem 07. Oktober von beispiellosen Repressionen überzogen wurden. Nur ein Teil der deutschen Linken scheint noch den Grundsatz verinnerlicht zu haben, dass politische Differenzen innerhalb der Bewegung ausgetragen werden, die sich nach außen den staatlichen Repressionsorganen entschlossen entgegen stellt. Die rassistische Medienhetze und das Aufwärmen des alten Lügenmärchens, dass ausgerechnet Deutschland, der Täterstaat der Shoah, sein Antisemitismusproblem angeblich “importiert” hätte wurden mit ebenso ohrenbetäubendem Schweigen hingenommen, teilweise sogar weiterverbreitet.

Während täglich hunderte Debatten über alle möglichen Erscheinungsformen des sogenannten “israelbezogenen Antisemitismus” geführt werden, sind zu wenige der deutschen Linken dazu bereit, sich mit den antimuslimischen und rassistischen Ressentiments auseinanderzusetzen, die ihre Sicht auf den Nahostkonflikt maßgeblich prägen. Wir als RWL und JiK haben uns selbst zu lange an solchen Diskursen beteiligt, selbst zu viel ungesagt gelassen oder hingenommen, um Antisemitismusvorwürfen aus der Szene vorzubeugen. Aber es ist nie zu spät seine Fehler von gestern zu korrigieren:

Wir sprechen allen pro- palästinensischen Genoss:innen, die wegen ihrer entschieden antiimperialistischen Haltung in Deutschland und dem Rest der Welt beispiellosem Polizeiterror ausgesetzt sind, unsere vollste Solidarität aus!

Wir werden es selbstverständlich nicht bei einem Statement belassen, sondern versuchen uns in Theorie und Praxis weiterzuentwickeln, um unserem Anspruch als internationalistische Antiimperialisten wirklich gerecht werden zu können. Wir müssen uns hier in Deutschland gegen die imperialistischen Kriege und Rüstungsgeschäfte dieses Staates entschlossen zur Wehr setzen, denn es ist klar: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Wir müssen Widerstand gegen die Militarisierung leisten und gemeinsam gegen die Verbrechen aller kapitalistischen Staaten und ihrer Rüstungskonzerne kämpfen! Wir laden all unsere Genoss:innen ein es uns gleichzutun, ihre Positionen zu überdenken, mögliche Fehler zu reflektieren und die Ergebnisse davon in einer solidarischen Praxis umzusetzen. Dieses Statement hat nicht zum Ziel, antideutsch geprägte Genoss:innen von unseren Veranstaltungen zu verbannen, ganz im Gegenteil: Wir stehen hinter unserer Positionierung, wir sind jederzeit bereit für einen kritischen Diskurs mit allen, die noch daran interessiert sind. In einem Land, in dem der Faschismus aktuell einen Aufschwung erlebt, in dem Nazischweine immernoch bewaffnet Synagogen angreifen, um Jüd:innen zu ermorden, sollte man sich ohnehin Gedanken darüber machen, wie sinnvoll es ist, die eigenenen Genoss:innen wegen eines abweichenden Standpunkts zum Nahostkonflikt in den gleichen Topf zu werfen und so den Vorwurf des Antisemitismus inflationär Menschen an den Kopf zu werfen, mit denen sollte man sich eigentlich gemeinsam dafür einsetzen sollte, dass Massenmord und Unterdrückung nicht mehr und nie wieder zum Schicksal irgendeiner Bevölkerungsgruppe dieser Welt werden.

Rotfront!

Quellen Abschnitt 6) Abschluss

aljazeera.com/news/2024/3/28/israel...
jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Net...
reuters.com/article/us-israel-polit…

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