Unsere Viertel, unser Zuhause

Steigende Mieten, schlechte Wohnungen und Stress mit Vermieter – fast jede Strömung der Radikalen Linken stellt Gentrifizierung und steigende Mieten mehr oder weniger in den Mittelpunkt ihres politischen Kampfes. Von Sozialdemokraten der Linkspartei über Anarchisten und Autonomen, bis hin zu Marxisten behandeln sie das Thema auf ihre eigene Art, mit unterschiedlicher Kritik und unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Auf der einen Seite der Ruf nach Reformen, wie der Mietpreisbremse oder die Bitte an den Staat er möge doch mehr Sozialwohnungen bauen. Auf der anderen Seite Forderung nach Enteignung oder Kollektivierung unter der Parole: ,,Die Häuser denen, die drinn wohnen“.

Die Analyse bleibt dabei häufig oberflächlich und reicht meist über die individuelle Gier von Vermietern oder Staatsversagen nicht hinaus. Somit wird die Kritik an einem der größten Probleme der Arbeiterklasse zu leerem Parolengedresche. Dieses Leid, dass viele unserer Klassengeschwister wählen müssen ob sie lieber essen oder ihre Miete zahlen, dass sie aus ihren Wohnungen fliegen und nur schwer eine Neue finden, dieses Leid verdient eine ausführlichere Betrachtung.

Fast 60 Prozent der Deutschen leben in Mietwohnungen, ihre konkrete Situation hängt dabei in der Hauptsache von Wohnort, Personenanzahl und logischerweise ihrem Einkommen ab.

Das Statistische Bundesamt schreibt: Haushalte mit einem Einkommen von unter 1500 Euro im Monat müssen durchschnittlich knapp 45 Prozent für die Miete blechen, mit einem Einkommen von 1500 bis 2000 Euro knapp 30 Prozent und mit einem Einkommen von 2000 bis 2500 zirka 25 Prozent. Interessant dabei: die durchschnittliche Kaltmiete liegt hier zwischen 7 und 8 Euro pro Quadratmeter, ein utopischer Traum für jeden, der gerade eine Wohnung sucht, die nicht im sächsischen Hinterland liegt.

Leipzig ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie schnell Mieten in die Höhe klettern können. Lag 2017 noch der Durchschnitt einer neuen Wohnung bei 7 Euro pro Quadratmeter, ist er im Jahr 2025 auf knackige 12 Euro gestiegen. Oder aber Berlin, wo es mittlerweile ganz Deutschland bewusst ist, dass manche vielleicht bald ihre Niere verkaufen müssen um sich ihre kleine Wohnung zu finanzieren. Hier ist der Preis von 8,10 pro Quadratmeter im Jahr 2015 auf 16,35 Euro Ende 2024 gestiegen. Bei beiden Beispielen geht es um den Stadtdurchschnitt, sprich es wird keinen Unterschied zwischen Arbeitervierteln und gentrifizierten Stadtteilen gemacht.

Die Frage ist also, wie ergibt sich der Preis einer Wohnung und warum steigt dieser so rasant an?

Wohnraum, ist wie alles im Kapitalismus Eigentum. Der Eigentümer hat die Verfügungsmacht über sie und schließt damit andere von der Nutzung aus. Lebt er nicht gerade selbst in ihr, ist es ihm daran gelegen sie zur Ware zu machen, sprich zu vermieten. Wohnungen werden nicht gebaut, damit Menschen ein Dach über den Kopf haben, sondern um einen Profit zu erzielen, das Bedürfnis nach einem Zuhause, für die Reproduktion des Menschen wird nur bedient, wenn es auch bezahlt wird. Wer dies nicht kann, ist entweder auf Sozialleistungen angewiesen oder wird obdachlos, ein Schicksal von dem nicht wenige betroffen sind.
Wohnungen sind im Kapitalismus also nicht nur das Zuhause von den Menschen die darin leben, sondern Quelle und Mittel für den Gewinn der Vermieter.

Da Häuser nicht aus dem Boden wachsen und auch nicht vom Himmel fallen, müssen sie erst einmal gebaut werden, bevor man darin einziehen kann. Glücklicherweise haben sie danach eine relativ lange Standfestigkeit und müssen nicht jeden Monat oder jedes Jahr von Grund auf neu gebaut werden. Die schönen Altbauten auf die so viele heiß, sind existieren Jahrzehnte und Jahrhunderte länger als deren Eigentümern.

Um aber überhaupt ein Haus bauen zu können, benötigt man das Eigentum am Boden, auf dem es entstehen soll. Boden ist eine natürliche Ressource die, im Gegensatz zu anderen Waren, nicht vermehrbar ist. Es ist daher ein sehr begrenztes Gut, um das sich da die Interessenten streiten.

Neben der Grundlage zum Wohnungsbau kann Boden natürlich auch für Landwirtschaft, Bergbau, Straßenbau usw. genutzt werden. für welchen Zweck ein Stück Land dienen soll legt der Staat mit seinen Organen fest. Flächennutzungspläne (Wohn-, Gewerbe-, Naturgebiete usw.) und Bebauungspläne sind Mittel des Staates auf die Bebauung seines Territoriums Einfluss zu nehmen.

Damit aus den Zielen und Plänen des Staates auch Realität wird, braucht es in der Regel Privatpersonen bzw. Unternehmen, die das Land bebauen. Diese kaufen das Eigentum an Grund und Boden über eine bestimmte Fläche und verfügen darüber ihren Zwecken gemäß. Die Familie vom Dorf baut sich ein Einfamilienhaus in der neuen Siedlung der nächsten Kleinstadt, der Wohnkonzern baut neue Luxuswohnungen im angesagtesten Viertel einer Großstadt, die städtische Wohnungsbaugesellschaft errichtet Sozialwohnungen in Arbeitervierteln. Wer welches Grundstück kauft bzw. überhaupt daran interessiert ist, hängt also davon ab welches Interesse das jeweilige Subjekt damit verfolgt.

Bei Familien aus dem besser gestellten Teil der Arbeiterklasse und dem Bürgertum logischerweise um zu wohnen. Die Erfüllung dieses Traums nach Haus und Garten hat dabei seine Grenze im Reichtum der jeweiligen Interessenten, durch zu nehmende Verarmung der Massen, Ansteigen der Grundstückspreise und Verschlechterung der Kreditbedingung ist der Kreis derer, die sich das leisten können immer kleiner geworden und wird auch in Zukunft weiter schrumpfen. Hatten 2005 noch 45% der Haushalte den Plan ein Eigenheim zu bauen (170.000 Baugenehmigungen), waren es 2015 noch 35% (150.000) und ist im Jahr 2025 auf 25% gesunken (130.000). Dieser Trend wird in den nächsten Jahren nicht abnehmen sondern im Gegenteil eher zunehmen, so dass nicht nur die Arbeiterklasse zum absoluten Großteil (Ausnahme sind sehr ländliche Regionen), sondern auch große Teile des Kleinbürgertums, auf Mietwohnungen angewiesen sein wird.

Staatlichen Wohnungsgesellschaften haben mit ihren Bauvorhaben die Aufgabe dem Fakt Rechnung zu tragen, dass ein großer Teil des Volks sich die Miete nicht leisten kann, ohne Wohnung diese aber nicht zur Produktion dienen und den sozialen Frieden stören. Dieses Engagement, als Ergänzung zu seinen sonstigen sozialstaatlichen Tätigkeiten hat für ihn eben genau diesen Zweck, Verbesserung der Bedingungen der Produktion und die Verhinderung der Rebellion der Massen (Im Rahmen der bürgerlichen Demokratie eine weitaus sichere Tätigkeit, als gegen jeden Unmut mit direkter Gewalt vorzugehen). Da dies für Bund, Länder und Gemeinden eine finanzielle Belastung darstellt, will er diese auf ein notwendiges Minimum beschränken und lieber dem privaten Sektor überlassen, was jedoch mit Verschlechterung der Lage der Arbeiterklasse immer weniger möglich ist. Die Reaktion des Staates hierauf sind Mietpreisbremse und mehr sozialer Bau in Randbezirken. Hier setzt auch die Kritik der Sozialdemokraten und „demokratischen Sozialisten“ an, welche aus dem falschen Verständnis vom Staat heraus diese Minimalbeschränkung als den eigentlichen Mangel kritisieren. Ihre Antwort ist daher die Forderung nach mehr sozialem Wohnungsbau und Regulierung des Wohnungsmarktes, statt die Gründe für diese Verhältnisse zu beseitigen.

Bei Wohnungsunternehmen eben wie oben bereits erläutert, um ihr Kapital zu verwerten, sprich Gewinn zu machen. Erwähnenswert wären hier noch zwei Dinge, einerseits die Monopolisierung der Konzerne (besonders in den Großstädten) und die Konkurrenz um neuen Boden. Sie reißen sich um das letzte Stückchen Land was sie finden können um die besonders vielversprechenden Viertel voll und ganz aus zu pressen. Andererseits wollen auch sie Anteil an den Mieteinnahmen durch untere Schichten der Klassen haben, weshalb sie auch ihren Blick auf Neubaugebiete, die für die Arbeiterklasse vorgesehen sind ihren Blick richten. Es wird eine Rechnung vorgenommen und darauf aufbauend ein Plan erstellt, wen man erreichen will und welche Wohnungen man dafür baut (Luxuswohnungen, Arbeiterwohnungen etc.)

Die Häuser sind nun gebaut, jetzt müssen sie trotz ihrer Langlebigkeit gepflegt und immer wieder erneuert werden. Der Vermieter muss sein Eigentum in einen wohnbaren Zustand halten, wobei das sehr weit gegriffen ist, siehe Schimmel, Heiz- und Sanitärprobleme. Da diese Verpflichtung Kosten für ihn bedeutet, will er diese auf ein Minimum beschränken. Muss er es trotzdem machen, versucht er die Kosten so gut es geht auf die Mieter abzuwälzen, neben direkter Kostenberechnung vor allem durch Erhöhung der Mieten.
Hierbei haben die Vermieter jedoch ein interessantes Geschäftsfeld gefunden, die der Luxussanierung. In angesagten Vierteln werden die Häuser nicht mehr für den gemeinen Pöbel saniert und renoviert, man hat stattdessen Kunden mit tieferem Geldbeutel im Visier. Abgesehen von der teuren Sanierung fallen danach bei der neuen Luxuswohnung die selben (teilweise weniger) Kosten der Instandhaltung an, gleichzeitig kann man mehr Miete verlangen und somit die Rendite erhöhen.
Hier wirkt nicht einfach die Gier eines einzelnen Vermieters, sondern die Notwendigkeit sich in der Konkurrenz zu behaupten, indem man sein Kapital am besten verwertet und vermehrt. Auch wenn die individuelle Perfidität von Vermietern als gutes Anschauungsbeispiel dient, dass Mietverhältnisse beschissen sind, ist die Beschränkung auf diese Einzelnen keine Kritik an den Verhältnissen und kann damit auch nicht zur Änderung dieser dienen.

Die Häuser sind also gebaut, die Frage bleibt jedoch, wessen Eigentum sie sind. Die Besitzverhältnisse von Wohnraum unterscheiden sich nicht nur nach Bundesland oder zwischen urbanen und ländlichen Gebieten, sondern insbesondere zwischen den Stadtteilen herrscht eine große Differenz. Nimmt man Berlin als Beispiel: während in Einzelhaussiedlungen jedes Grundstück Eigentum von Privatpersonen ist, sind in der Innenstadt oder großen Wohngebieten städtische Wohnungsgesellschaften oder private Unternehmen die Haupteigner an Wohnraum.

Von den 1,9 Millionen Wohnungen sind 1,5 Millionen Mietwohnungen. 24 Prozent davon gehören Einzelpersonen, 16 Prozent Vermietergemeinschaften, 29 Prozent der öffentlichen Hand (Stadt und städtische Wohnungsbaugesellschaften) und 31 Prozent privaten Unternehmen. Der Anbieter ist dabei Deutsche Wohnen (Nicht-Berlinern vermutlich ein Begriff durch die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“) welche über 115.000 Wohnungen verfügen. Dahinter kommen: ,,Stadt und Land“ mit 68.000, die Degewo mit 67.000, Gewobag mit 60.000, Howoge mit 59.000 sowie Vonovia mit 44.000 Wohnungen.

800.000 Wohnungen, also rund die Hälfte aller Mietwohnungen in Berlin, konzentrieren sich auf 89 Eigentümer, kleine Vermieter wie sie noch ab und zu in ländlichen Regionen existieren, sind also fast komplett verschwunden, an ihrer Stelle regieren Monopole. Dies ist das Ergebnis von jahrzehntelanger Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt. Nur Unternehmen mit großem Kapital können es sich leisten neue Grundstücke und Wohnungen zu kaufen, denn durch die begrenzte Fläche, ist die Konkurrenz um diese sehr hoch. Diese hohen Kosten zum Erwerb der Wohnungen schlägt sich wiederum auf die Mieten aus.

Die Konkurrenz der Vermieter um neue Kunden ist dabei so gering wie es nur geht, denn nicht nur wollen die bereits ansässigen Menschen eine Wohnung haben, auch steigt der Zug von Menschen vom Land in die Metropolen immer weiter an. In der Flucht vor dem ökonomisch und kulturell abgehängt Sein im Hinterland, nehmen diese die viel höheren Mieten in den Städten an. An Interessenten fehlt es den Vermietern also nie, sie müssen sich also nicht um Mieter streiten und dadurch sich dadurch mit günstigen Mieten unterbieten. Auf der anderen Seite konkurrieren die Interessierten darum wer eine Wohnung ergattern kann, das ist in letzter Instanz vor allem davon abhängig, wer bereit und in der Lage ist den höchsten Preis zu bezahlen. Aus der Konkurrenz unter den Vermietern, zwischen den Mietern und zwischen beiden Fraktionen, ergibt sich daher eine Entwicklung des Preises der in die Höhe steigt.

Auch auf dem Land steigen, trotz vermehrtem Wegzug, die Preise fürs Wohnen an. Dies hat weniger den Hintergrund, dass sich die Mieter gegenseitig überbieten, sondern dass die Kosten der Instandhaltung und Bezahlung der eigenen Reproduktion immer weiter anstiegen. Weiterhin stehen durch die Entvölkerung auf dem Land viele Wohnungen leer und ganze Plattenbautsiedlungen werden abgerissen.

Das Privateigentum weniger, am Großteil des Wohnraumes in dieser Republik, die Abhängigkeit der Massen zur Miete zu leben und alle darauf folgenden Prozesse dieses Geschäftes haben eine Masse an Wohnungslosen und eine starke Verarmung des Rests hervorgebracht. Und gerade für Azubis, Studenten und Arbeitslose stellt dieser Zustand den Grund für miserable Lebensverhältnisse und Bedrohung ihrer Existenz dar.

Wie lautet also unsere Antwort darauf?

Reformen lösen, wie bereits gesagt, das Problem nicht. Auch wenn sie vorübergehend dafür sorgen können, dass sich die Verhältnisse nicht so extrem verschlechtern, als gebe es sie nicht, können sie trotzdem nichts an der grundlegenden Tendenz ändern, da sie die Ursache nicht beheben. Auch Demonstrationen und Protest allein, können, egal ob sie reformistische oder revolutionäre Forderungen und Parolen aufstellen, nichts am derzeitigen Status ändern. Hausbesetzungen sind, wenn sie nicht sofort geräumt werden, nur für einen kleinen Kreis an Personen die Möglichkeit sich dem Mietenwahn zu entziehen und eventuell etwas Öffentlichkeit für die bestehenden Probleme zu schaffen.

Die Lösung kann daher nichts anderes sein als die sozialistische Revolution. Wer ordentliche Lebensbedingungen haben will, muss dafür sorgen, dass es in der Gesellschaft auch darum geht, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn wir uns als Arbeiterklasse frei machen wollen, von der Last der hohen Mieten, müssen wir unsere Ausbeutung und den Staat der diese schützt beseitigen.

Das ist nichts was wir morgen oder übermorgen erreichen werden, doch jede Aktion, von Demonstration bis zur Besetzung kann ein Schritt in diese Richtung sein, wenn es das Ziel der Revolution verfolgt. Unsere Aufgabe als Kommunisten besteht also darin in den politischen Kampf der Massen einzusteigen und uns daran zu beteiligen, jeden aufrichtigen Arbeiter in unsere Reihen zu ziehen und mit diesem System ein für alle Mal Schluss zu machen.

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