Jugend gegen Prostitution

“Prostitution bietet Männern im Kapitalismus die Möglichkeit, sexuelle Beziehungen zu haben, ohne die Verantwortung für die materielle Versorgung der Frauen bis zum Tod auf sich nehmen zu müssen.” -Alexandra Kollontai

In unserem Artikel zur Thematik der Prostitution möchten wir einen Einblick verschaffen, sowie eine kritische Sichtweise präsentieren. Vielleicht denkst du jetzt, was betrifft mich das schon? Wir wollen dir einige der Gründe näherbringen warum Prostitution uns alle angeht.

Wir stellen uns Prostitution in unserer Gesellschaft als einen eng begrenzten Bereich, bestenfalls im Bordell am Stadtrand, vor. Die meisten Menschen können daher versuchen ganz auszublenden, wie weitreichend diese Institution das Leben von Hunderttausenden Frauen in Deutschland prägt, sie traumatisiert und entmenschlicht. Jedoch ist dieser eng abgegrenzte Bereich eine Illusion. In den letzten Jahren entstanden in Plagwitz beispielsweise immer mehr Wohnungsbordelle, möglicherweise werden auch in einer Wohnung in deinem Wohnhaus Frauen festgehalten, um rund um die Uhr Freier bedienen zu können. Die Zustände in Wohnungsbordellen sind, entgegen der Vorstellung vieler, teilweise noch schlimmer als in den klassischen Bordellen. Außerdem boomt das Geschäft mit der Prostitution online auf only fans und co. wie nie zuvor.

Du hast aber noch viel näher mit der Prostitution zu tun, nämlich mit ihren Freiern. Ohne es zu wissen, triffst du jeden Tag auf Männer, die Sex kaufen. Ob auf Arbeit, in der Schule, in der Familie oder sogar durch den eigenen Partner. In Deutschland hat gut jeder vierte Mann schon einmal eine Frau gekauft.

Viel zentraler jedoch, jede/r kann in die Prostitution geraten. Besonderes Risiko besitzt du, wenn du folgende 4 Kriterien erfüllst:
1. sexueller oder körperlicher Missbrauch in der Kindheit
2. du bist eine Frau
3. du bist von Armut betroffen/bedroht
4. du hast jemanden der dir beim Einstieg hilft.

Wahrscheinlich kennst du aus deinem Umfeld Menschen, auf die diese vier Faktoren zutreffen, vielleicht treffen sie sogar auf dich selbst zu. Die Schwelle zwischen denjenigen, die es sich leisten können dem Thema Prostitution ignorant gegenüberzustehen und denjenigen, die in der Prostitution landen ist sehr viel niedriger als allgemein angenommen. Ob deine Freund*innen, du selbst, oder jemand, den du überhaupt nicht kennst- wenn eine Frau missbraucht wird (ganz gleich ob sie “dafür bezahlt wird” oder nicht), geht uns das alle an!

Als letzten Grund sehen wir, dass die Frau ihren Körper auch in der bürgerlichen Ehe verkauft, wenn auch nur an einen Mann. Aktuell können sich 2/3 Frauen in Deutschland nicht selbst langfristig finanzieren, dies stellt ein krasses Machtverhältnis in der Ehe dar. Als Marxist*innen sehen wir sie deshalb als eine Art der Prostitution, auch wenn diese Art der Prostitution uns zunächst abstrakter erscheint, weil sie für uns viel alltäglicher ist. Der Kapitalismus begünstigt jedoch eine solche gesellschaftliche Arbeitsteilung, in der die Hälfte der Gesellschaft zur unentlohnten Hausarbeit verdammt ist, damit die andere Hälfte möglichst uneingeschränkt auf dem Arbeitsmarkt ausgebeutet werden kann.

Es hat zwar den Anschein, als würde diese Art der Arbeitsteilung mit der Integration feministischer Standpunkte in den bürgerlichen Mainstream und damit auch dem Hinterfragen althergebrachter Rollenbilder aktuell schon im Kapitalismus verschwinden. Dabei bleibt es jedoch in der Regel bei idealistischen Lippenbekenntnissen, die die wirtschaftliche Macht der Ehemänner über ihre Frauen nicht aufheben, sondern eher weiter verschleiern, ganz davon abgesehen, dass der “Girlboss- Lifestyle” eine Erscheinung aus den überprivilegierten Schichten der reichsten Länder ist und so global gesehen keine gesellschaftliche Entwicklung darstellt. Der Großteil der Frauen der Welt und auch in Deutschland leben weit entfernt vom Ideal der finanziellen Unabhängigkeit von Familie und Ehemann, sind deren Gewalt ausgesetzt und daher gezwungen ihr Überleben durch Mittel zu erreichen, die mit ihren persönlichen Wünschen und Träumen nichts zu tun haben. Ein solches Mittel ist für Millionen von Frauen weltweit auch die Prostitution. Umso mehr braucht es daher unbegrenzte Solidarität zwischen allen ausgebeuteten Frauen, ob in oder außerhalb der Ehe, nur gemeinsam lässt sich eine Alternative für alle anstreben!

Situation in Deutschland:

1,2 Millionen Freier täglich aus aller Welt, damit hat sich Deutschland wohl den Namen „Bordell Europas“ verdient. In keinem anderen Land des Kontinents boomt das Prostitutionsgeschäft so, wie in Deutschland. Doch es stellt sich die Frage, warum gerade hier?
Dazu lohnt es sich zunächst einen kurzen Blick auf die deutsche Rechtslage zu werfen: Prostitution in Deutschland ist legal, allerdings steht die Prostitution Minderjähriger, sowie die Zwangsprostitution (Zuhälterei) unter Strafe (§184f StGB). Seit dem 01. Januar 2002 ist das „Gesetz zur Regelung der Rechtsfähigkeit der Prostituierten“ tragend. Hinzugefügt wurde auch das sogenannte „Prostitutionsschutzgesetz“, wobei der Name fehlleitender nicht sein könnte. Das besagte Gesetz beeinhaltet nämlich, dass Prostituierte nun einen Hurenpass beantragen müssen. Außerdem haben sie nun eine eigene Steuernummer, dürfen also auch bis zu 25€ Steuern pro Tag zahlen. Immerhin beeinhaltet das neue „Schutzgesetz“ eine gesetzliche Krankenversicherung, denn es war für die Frauen zuvor nicht möglich sich krankenzuversichern. Doch was geht noch einher mit dieser Anmeldepflicht?

Rund 65-90% der Prostituierten in Deutschland sind Migrant*innen, welche meist aus Südosteuropa (Ungarn, Rumänien oder Bulgarien) hierher gelockt werden, um sich zu prostituieren. Für diese Frauen bedeutet diese Regelungen verstärkter Zwang, denn zu wem sollen sie auch gehen, wenn ihr Zuhälter sie missbraucht und ausbeutet? Bei der Polizei würden sie auf keine Hilfe treffen, weil sie entweder erstmal beweisen müssen, dass sie auch wenn sie legal angemeldet sind, missbraucht werden oder, wenn sie es nicht sind, befürchten müssen, dass der Staat sie deswegen verfolgt und abschiebt, nicht ihren gewalttätigen Freier oder Zuhälter.

Auch für nicht migrantische Frauen ist diese Erneuerung keine Erleichterung. Stellen wir uns vor, eine Frau möchte aus der Prostitution aussteigen, sich neu bewerben und endlich aus dem Teufelskreis ausbrechen. Ihr Arbeitgeber allerdings sieht zwangsläufig, dass sie ehemalige Prostituierte ist, da sie sich anmelden musste. Eine Tatsache, die dazu führen könnte, dass Frauen sich vor lauter Scham erst recht nicht trauen auszusteigen, denn sind wir mal ehrlich, wer würde gern vor dem Chef erklären, warum man sich denn prostituiert hat.

Ein weiterer durchaus erheblicher Faktor, warum Prostitution hier in Deutschland so angesehen ist, ist der Gewinn, den man damit erziehlen kann, denn dieser geht an Staat und Wirtschaft und landet nicht bei der Prostituierten selbst. Die Materialkosten wie Kondome bezahlt die Prostituierte selbst und auch das Zimmer wird selbst gezahlt, das heißt für Zuhälter wenig bis keine Kosten. So ist dieses Geschäft äußerst attraktiv, auch als Nebeneinkommen zu Drogen- oder Waffengeschäften. Und nicht nur der Zuhälter und Freier profitieren, nein auch die Wirtschaft, denn nach einem langen Arbeitstag hat man einfach keine Kraft zu kochen und bestellt. Auch andere Dienstleister wie Friseur, Kosmetik, Solarium und die Schönheitsindustrie generell verdienen an den Frauen. So kommt es, dass allein das Prostitutionsgewerbe rund 7 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung beiträgt.

Und so stellen wir fest, dass es für Menschenhändler und Zuhälter einfach sehr attraktiv ist in Deutschland tätig zu werden. Die lockere Gesetzgebung und das lukrative Geschäft führen dazu, dass Deutschland im Thema Sexkauf polarisiert und Frauen hier gewinnbringend ausgebeutet werden und wir alle daran mitverdienen. Auch die deutschen Männer selbst scheinen das Geschäft tüchtig zu unterstützen. Jeder 4. Mann in Deutschland gibt an schon mindestens einmal in seinem Leben für Sex bezahlt zu haben. Freier sind überall und unterstützen tagtägliche die Ausbeutung der Weiblichkeit.

Only Fans

Wer nicht die letzten paar Jahre hinter einem Stein gelebt hat kennt es, OnlyFans. Die neue Platform für selbstbestimmte Frauen, die dummen Männern das Geld aus der Tasche nehmen können mit Hilfe von ein paar Bildern und Videos. Alles selbstbestimmt und mit Konsens, my body, my choice und so. Mit Schlagzeilen wie „1 Million Dollar innerhalb von 24 Stunden“ wird die Platform immer attraktiver. Wer würde nicht lieber zu Hause chillen, ein paar Fotos an irgendwelche Typen schicken und damit viel mehr Geld verdienen als auf Mindestlohn-Basis in irgendeinem scheiß Restaurant von den gleichen Männern angekackt zu werden, von denen du eigentlich das Geld abzocken könntest.

OnlyFans schafft es ein Bild zu kreieren von umgekehrten Machtverhältnissen. Nicht die Männer sind es, die von dem Kauf profitieren (wie bei der „in- Person“ Prostitution) nein, die „Creator*innen“ sind es, denn sie haben ja schließlich die freie Entscheidung, an wen, wie viele und was für erotische und pornografische Bilder oder Videos verschickt werden und für wie viel Geld. Easy Money, oder?

Noch ein kurzer Einblick woher OnlyFans eigentlich kommt und wie es funktioniert. OnlyFans gibt es seit 2016. Rein theoretisch kann jeder Inhalt auf der Internetseite hochgeladen werden, doch erotische und pornografische Bilder und Videos dominieren natürlich stark. 2018 kaufte Leonid Radvinsky 75% von OnlyFans auf und setzte die Ausrichtung der Seite auf den Fokus von sexualisierten Inhalten. Die Creator*innen, also die Leute, die auf OnlyFans (kurz OF) posten, können ihre Inhalte zB auf Instagram bewerben und diese Inhalte können dann entweder einzeln im Privatchat auf OF oder in Form eines Monatsabos gekauft werden. OnlyFans behält dabei allerdings 20% des Einkommens. Es ist also logisch erschließbar, dass Personen, die schon vorher berühmt waren, mehr Aufmerksamkeit und damit auch mehr Geld bekommen, als Personen, die vor dem OnlyFans Beitritt niemand kannte. Einfacher geht der Eintritt in die „Sexarbeit“ eigentlich kaum. Während der Corona-Pandemie boomte die Platform natürlich auch extrem auf und konnte ihren Zuwachs gegen die Konkurrenz Patreon und Pornhub weiterhin ausbauen. Im Jahr 2022 zählte die Online-Plattform OnlyFans knapp 239 Millionen registrierte Nutzer*innen weltweit.

Dann dröseln wir nun aber mal dieses gut gezeichnete Bild von OnlyFans auf. Wie schon gesagt, Influencer*innen oder Pornodarsteller*innen haben es wesentlich leichter Geld zu verdienen, als Personen des privaten Lebens. Selbstverwaltung und Eigenwerbung ist ein essenzieller Bestandteil für die Präsenz auf OF. Wenn dich niemand kennt, kauft niemand deine Inhalte. Diese 1 Millionen Dollar innerhalb von 24 Stunden verdienen also nur Leute wie Bella Thorne, die sowieso schon Millionärin ist und mehr als 20 Millionen Instagram Follower hat. Außerdem wird OF auch von den vorherrschenden Schönheitsidealen oder pornografischen Trends regiert, wenn du diese nicht erfüllt, haste halt Pech gehabt.

Und sind die Käufer wirklich die Verlierer und die Machtlosen auf OF? Die Männer bekommen ja immer noch genau das, was sie wollen und wonach sie gefragt haben: Frauenkörper. Genau nach ihrem Sinne und ihrem Wunsch, somit eine Bereicherung für den Käufer. Zudem existiert auch extrem viel Zuhälterei und Menschenhandel auf der Platform. Zuhälter oder sogar ganze „OnlyFans Agenturen“ schreiben junge Frauen, auch Minderjährige, an und überreden sie, in das OnlyFans Business einzusteigen und ihren Account zu managen. Bei der Loverboy Masche spielen Männer Frauen echte, reale Gefühle vor und machen die Frauen emotional von ihnen abhängig um danach diese Frauen in Prostitution, etc. zu drängen und ihr dabei rausgekommenes Geld einzunehmen. Mittlerweile gibt es sogar einen eigenen Geschäftszweig unter den Schneeballsystemen, bei dem junge Männer dazu “ausgebildet” werden Frauen mit der Loverboy-Masche zu OF zu überreden und den Account für die Frauen zu “managen”. Diese werden dann zu immer mehr gedrängt und sehen von dem Geld quasi nichts. Dazu kommt, dass OnlyFans selbst in seinen Community Richtlinien das sogenannte „referral program“ anbietet, also eine Art Anwerbeprogramm, indem Creator*innen neue Leute anwerben können und von denen dann 5% der Einnahmen im ersten Jahr bekommen. Betroffene berichten auch, dass es momentan keine Möglichkeiten gibt diese Zuhälter und oder Menschenhändler zu melden.

Die Sicherheit, dass auf OnlyFans nur erwachsene Personen sind, gibt es auch nicht. Mit Hilfe von Ausweisfälschungen ist es sehr gut möglich die Altersverifizierung zu umgehen. So werden also auch Kinder auf OF ausgebeutet. Im Jahre 2021 wurde zum Beispiel ein Fall bekannt, indem ein Video einer 16 jährigen auf OF gepostet wurde, die unter Einfluss von Drogen missbraucht wurde.

Auch die Differenzierung zu den realen Personen ist eine Illusion. Der Gedanke, dass man mit den Käufern nicht in direkten physischen Kontakt kommt, ist für viele ein wichtiger Punkt, doch erst im Jahr 2021 wurde eine OF-Creatorin mit dem Namen „Miss Mercedes Moor“ von einem besessenen „Fan“ ermordet. Weitere Creator*innen berichten, sie haben nach der Ablehnung von Sexanfragen eine Reihe an Todes- und Vergewaltigungsandrohungen erhalten. Eine Meldung war nicht möglich, da „unhöfliche Nachrichten“ nicht gegen die Richtlinien verstoßen. Online Stalking ist generell ein riesiges Problem, da es so leicht gemacht wird. Außerdem können Fotos und Videos leicht geleaked, also von Fremden veröffentlicht und damit gehandelt werden. Die Männer, die deine Inhalte „besitzen“ haben eine riesige Macht über die Creator*innen, die sie durch Erpressung und Drohungen ausnutzen können, auch vor Hacking ist niemand geschützt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass OnlyFans den Einstig in die „persönliche Prostitution“ erheblich erleichtert. Wenn nicht genug Geld reinkommt, muss eben weitergedacht werden. Die Hemmschwelle verschwimmt und nach der dreißigsten Anfrage auf ein persönliches Sex- Treffen wirst du doch schwach. So ist OnlyFans an einem erheblichen Anstieg der in- Person Prostitution beteiligt. Als Kommunist*innen bekämpfen wir jede Form von Prostitution, egal, ob diese Art der passiven oder aktive „in person“ Prostitution.

Warum Strafverfolgung uns nicht weiterbringt

Nach der Bestrafung von Freiern zu fragen, scheint zunächst als ein verständlicher Gedanke. Immerhin legt die Prostitution, wie kaum ein anderes gesellschaftliches Phänomen, zum einen die Rolle der Frau als passive, untergeordnete und entmenschlichte Person und zum anderen die unbegreifliche Gewalt des Mannes so offen. So wird die Prostituierte zum Symbol für all das, was uns täglich in diesem System widerfährt und der Freier zur Verkörperung des Patriarchats schlechthin. Er hat den Schein, uns als gleichberechtigte Mitmenschen zu sehen und zu behandeln ganz abgelegt, wo doch so viele Männer um uns herum uns genau dieses Versprechen der Gleichberechtigung geben, uns in ihren Handlungen jedoch wieder als ihnen unterwürfig begegnen. Der Freier schreit danach gejagt zu werden, während unser Mitbewohner, unser Partner, unsere Geschwister und Freunde uns glaubhaft vermitteln, dass sie uns gar nicht unterdrücken wollen und deshalb doch ihr Bestes tun würden damit gar nicht erst anzufangen.

Eins haben solche Männer und viele Feminist*innen gemeinsam, sie wollen die Trennlinie von guten und schlechten Männern mithilfe des Rechts festigen, um entweder eine einfache Lösung zu finden oder sich selbst von diesen Vorwürfen frei machen zu können. Wenn man sich von “illegalen Sexisten” abgrenzen kann, muss man keine Analyse der grundlegenden Funktionsweisen eines Systems durchführen, das Frauen unterdrückt. Wo das Recht uns ansonsten in jederlei Hinsicht knechtet und bedroht, wird nun auf einmal gefordert, mehr Arten der Gewalt in den Bereich des Illegalen zu bewegen. Als würde die Lösung der unzureichenden Gerechtigkeit, die uns dieses System gibt, sein, dem System noch mehr Kompetenzen und Zuständigkeitsbereiche zu zuweisen. Hinter dieser Forderung steckt ein falsches Verständnis unseres Rechtsystems, das uns eben nicht als freie Privatpersonen in unseren Rechten schützt, sondern die, dessen Kapital es zu schützen gilt.

So gibt es Studien aus den USA darüber, dass härtere Strafverfolgung gegenüber Sexualstraftaten dazu führt, dass hauptsächlich schwarze US-Amerikaner in die Gefängnisse gesperrt werden. Obwohl das Recht nicht für unser Interesse geschaffen ist, erscheint es uns so, als hätten wir Teil an den ideellen Freiheiten und würden ebenso Schutz erfahren. Wenn wir von Klassenjustiz sprechen, dann schließt das diesen Bereich des Rechtssystems jedoch ganz und gar nicht aus. Was genau die bürgerliche Moral gerade mithilfe der Justiz verurteilt und verfolgt, ist recht beliebig austauschbar, Drogenkonsum, Obdachlosigkeit, oder wie gerade gefordert Prostitution. Der Schutz des Individuums vor dieser Gewalt steht nicht als Interesse hinter dem Handeln der Staatsgewalt. Allein schon, weil beim Kriminalisieren dieser Phänomene nicht mal nach den Ursprüngen dieser gefragt wird. Spätestens wird das jedoch sichtbar, wenn wir uns die Maßnahmen der Justiz anschauen.

Geldstrafen sind in erster Linie für die Menschen eine Strafe, die eh kaum über die Runden kommen und Bewährungsstrafen für die, die sich als Angestellte für einen Job bewerben müssen. Wo wir sonst Gefängnisse als Orte verurteilen, in die man Menschen wegsperrt, die auf dem normalen Wege nicht ausbeutbar sind oder sich diesem System nicht beugen wollen, sind sie in dieser Frage auf einmal die Antwort. Fraglich ist außerdem, dass wir doch eigentlich wissen, dass Gefängnisse entgegen der bürgerlichen Überzeugung keine Rehabilitationszentren sind, die die Männer danach unproblematisch wieder ausspucken, das Gegenteil ist der Fall. Auch das Bild des Vergewaltigers als Außenseiter, der uns auf dem Heimweg überfällt muss korrigiert werden. Täter sind meist die oben genannten, Mitbewohner, Partner, Freunde, die gesellschaftlich anerkannt sind, die perfekt in die Gesellschaft integriert zu sein scheinen. Bertolt Brecht schrieb einst:

„Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten“.

Wir dürfen uns in unserem Kampf nicht dem Staat anbiedern und seine Mittel uns als Klasse zu knechten, als unsere verkennen. Damit würden wir gegen unser geeintes Klasseninteresse handeln. Wieso also regen sich dann trotzdem so viele Feminist*innen auf, wenn Männer für Sexualstraftaten kleine oder keine Strafen bekommen. Aus einer einst progressiven zutiefst solidarischen Forderung der Vernichtung der tagtäglichen Gewalt gegen prostituierte Frauen wurde so ein Anfeuern der Klassenjustiz.

Wenn wir die Prostitution als eine Institution erkennen, die uns als Klasse spaltet, indem sie ein zutiefst gewaltvolles Verhältnis zwischen proletarischem Freier und Prostituierten, Angehörige der eigentlich gleichen Klasse, aufmacht, müssen wir daraus andere Schlüsse ziehen. Schlüsse, die die Ursprünge des Ganzen erkennen und beseitigen können. Und das heißt nichts weniger als “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”, wie Marx es schon erkannte. Das System ist Täter und muss als dieser entlarvt und überwunden werden. Prostitution braucht den über Jahrhunderte gewachsenen Besitztum an der Frau und dieser sprießt und gedeiht im Kapitalismus. Wir Frauen müssen eine Gesellschaft frei von Eigentum anstreben und erkämpfen, um es uns möglich zu machen unsere Sexualität frei zu entfalten und nicht für materielle Versorgung innerhalb oder außerhalb der Ehe verkaufen zu müssen.