Von Leipzig bis nach Budapest – Konsequenten Antifaschismus verteidigen!

Anfang Februar diesen Jahres markiert das traurige zweite Jubiläum der massiven Repressionswellen gegen militante AntifaschistInnen im Budapest Komplex. Nach den antifaschistischen Angriffen auf organisierte Faschos, am Rande des Tag der Ehre begann europaweit und auch besonders in Deutschland die polizeiliche und mediale Jagd auf angeblich Beteiligte.

Was ist der Tag der Ehre?

Am 11. Februar 1945 startet die deutsche Heeresleitung der Wehrmacht, gemeinsam mit ihren ungarischen Unterstützern einen Ausbruchsversuch aus dem umstellten Budapest. Der Versuch scheitert, wenige Tage später wird Budapest von der Roten Armee befreit.

Für Neonazis und Faschisten aller Couleur wird dieser Tag seit Jahrzehnten als „Gedenktag“, als sogenannter Tag der Ehre begangen. Neben der schamlosen Relativierung und Verherrlichung der grausamen Verbrechen des NS-Regimes und ihren Kollaborateuren, dient der Tag der europäischen rechten Szene als wichtiges Vernetzungstreffen, auf dem Kontakte geknüpft und sich ausgetauscht wird. Auf dem Faschos aus ganz Europa eine Plattform für gemeinsame Organisierung haben.

Gerade in den letzten Jahren nehmen BeobachterInnen einen deutlichen Anstieg der Teilnehmerzahlen in den tausenden wahr. Darunter befinden sich haufenweise bekannte Faschos, auch Gruppen aus Deutschland, wie beispielsweise der 3. Weg, sind oft zahlreich vertreten. Programme vor Ort werden von einschlägigen Gruppen wie dem Blood and Honor Netzwerk, der Hammerskins Ungarn oder der paramilitärisch organisierten Légió Hungária organisiert. Die Teilnehmenden fallen immer wieder durch Kleidung mit astreiner Nazisymbolik, Hakenkreuzen, Hilter-Portraits und SS-Runen auf, einige tragen historische Uniformen und zum Teil sogar Waffen, der faschistischen Streitkräfte. Obwohl diese offiziell auch in Ungarn verboten sind, erleben die Rechten kaum je Gegenwehr der örtlichen Bullen. Spontane Demos, „Spaziergänge“ und Rechtsrockkonzerte, in und um Budapest, können ungestört ihr Unwesen treiben.

Anders sieht es bei den, ebenfalls seit Jahren organisierten, antifaschistischen Gegenprotesten aus, die sich Jahr für Jahr dem ekelhaften Treiben der Nazis vor Ort entgegenstellen. Linke Demonstrationen werden von irren Polizeiaufgeboten begleitet, Anreisen aus dem Ausland oft schon an der Grenze aufgehalten und durchsucht. OrganisatorInnen, wie beispielsweise der VVN-BdA berichten von aktiv anti-antifaschistischer Vorgehensweise der ungarischen Bullen, für die scheinbar alles, mit Antifaschismus in Verbindung gebrachte einem Generalverdacht unterliegt.
Auch gab es in der Vergangenheit bereits mehrfach Angriffe auf linke DemonstantInnen und JournalistInnen durch die angereisten Neonazis.

Während international bekannte Neonazis ungehindert NS-Verbrechen relativieren, leugnen oder gleich verherrlichen dürfen, wird notwendiger antifaschistischer Gegenprotest blockiert, verboten und kriminalisiert. Linke Gegenstimmen gegen das geschichtsrevisionistische und offen faschistische Treiben in Budapest, werden systematisch mundtot gemacht.

Wirklich verwunderlich ist dieser Umgang leider nicht, auch der Ungarische Staat und seine Behörden, sind selbst treibende Kraft im Geschichtsrevisionismus, bezüglich der ungarischen Mittäterschaft an der Ermordung hundertausender JüdInnen, Sinti und Roma, sowie politischer Gegner.
Erst vor wenigen Jahren trug unter anderem Ungarn eine Resolution ins europäische Parlament, die der Sowjetunion eine Mitschuld am Ausbruch des zweiten Weltkriegs zuschreibt. Durch die grundlegende Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus hofft man, sich der eigenen Auseinandersetzung mit Kollaboration im Krieg und de, eigenen Nationalismus und Antisemitismus entziehen zu können. Auch das „Gedenken“ rund um den Tag der Ehre wird von ungarischen Behörden aktiv gefördert. So stellt das nationale Militätmuseum zum Beispiel Abzeichen und Nazi-Devotionalien bereit, die Organisatoren der Ausbruch-60 Wanderung erhielten 2023 rund 18.000€ an finanzieller Unterstützung.

Der „Budapest-Komplex“

Im Jahr 2023 kam es am Rande des „Gedenkens“ zu mehreren Angriffen auf angereiste Faschisten.

Am 9. und 10. Februar kommt es zu Auseinandersetzungen mit bekannten Neonazis aus ganz Europa. Unter den vemeintlichen Opfern befinden sich Mitglieder der rechstextremen Ruch Narodowy Partei aus Polen, ein Vorsitzender der Mitorganisatoren Légió Hungária und einem Mitglied einer ungarischen Blood & Honor Band. Auch deutsche Faschisten, einer von ihnen Mitglied der Neue Stärke Partei, werden angegriffen.

Während die zahlreich dokumentierten Angriffe auf linke DemonstrantInnen und Journalisten kaum Konsequenzen hatten, gründete sich bereits am Abend des 9. Februar eine Sonderkommission, mit dem Ziel, die Angreifer festzusetzen. Schnell kommt es zu ersten Festnahmen, darunter auch eine Mitarbeiterin von András Jambor, Teil des linken Spark Movement, die vor ihrer Freilassung wegen mehr als mangelnden Beweisen, knapp zwei Wochen festgehalten wird.
Am 11. Februar gibt es sechs weitere Festnahmen, gegen drei von ihnen werden Haftbefehle wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ und „Gewalt gegen eine Gemeinschaft“ erlassen. Eine der Personen wird am nächsten Tag entlassen, da sich die schnell erhobenen Vorwürfe selbst vor dem undurchsichtigen ungarischen Recht nicht halten lassen.

In den nächsten Tagen und Wochen beginnen die ungarischen Bullen mit der Veröffentlichung von Bildern und Namen der angeblichen AngreiferInnen.
Quasi zeitgleich beginnt auch in Deutschland die Fahndung nach vermeintlich Beteiligten. Noch am 15. Februar kommt es zu den ersten Hausdurchsuchungen in Berlin, einen Tag darauf eröffnet die Generalanwaltsschaft Dresden Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen sieben Personen. Die deutschen Behörden beginnen umgehend den Kontakt mit den ungarischen aufzunehmen, übermitteln Presseberichten zufolge auch Akten aus den Antifa-Ost Verfahren.

Die nächsten Monate sind von, bis heute anhaltenden, medialen und polizeilichen Hetzjagden auf die vermeintlich Beschuldigten geprägt. Anfang März finden in Leipzig und Jena mehrere Hausdurchsuchungen statt, Betroffene werden von vermummten, bewaffneten Bullen aus dem Bett gerissen. Familienmitglieder werden stundenlang festgehalten und drangsaliert, bei einer Durchsuchung in der Leipziger Eichendorffstraße, wo angeblich ein Beschuldigter vermutet wird, werden mehrere Wohnungstüren des Mehrfamilienhauses aufgeschossen.

Ab Juni beginnt die Bildzeitung Namen und Gesichter der vermeintlich Beteiligten zu veröffentlichen und leitet damit auch in Deutschland eine öffentliche Fahndung ein. Während die bekannten Neonazis in der bürgerlichen Presse, als unschuldige Opfer brutaler Gewalt, als „Musiker oder Touristen“ beschrieben werden, werden die beschuldigten AntifaschistInnen als „brutale Schlägertrupps“ bezeichnet und als linke Terroristen vorverurteilt.

Eine auführliche Chronik der Ereignisse findet ihr auf basc.news.

Bis heute gab es mehr als 20 Hausdurchsuchungen und SEK Einsätze, dazu Observationen und Anquatschversuche.
Die Festnahmen im Kontext der Angriffe sind von Brutalität geprägt, die Inhaftierten haben mit unterirdischen Haftbedingungen und Isolation zu kämpfen, Angehörige und sogar Anwälte, werden bewusst im Dunkeln über ihre Situation gelassen. Mit angebotenen „Kompromissen“, wird versucht die inhaftierten Beschuldigten massiv unter Druck zu setzen. Die Strafen die ihnen drohen sind an Absurdität kaum zu überbieten und mehr als deutlich politisch motiviert.
Maja, die sogar entgegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, über Nacht nach Ungarn entführt wurde, drohen selbst mit einem „Deal“, also unter Abgabe eines Geständis knapp 14 Jahre Haft. Lehnt sie ab, wird das ihre Strafe wohl noch erheblich verlängern.
Die Versuche der Anwälte anderer Beschuldigter, Auslieferungen nach Ungarn zu verhindern, werden von den deutschen Behörden schlichtweg ignoriert.

Am Montag, den 20.1. stellten sich sieben weitere Beschuldigte in Deutschland den Behörden. Wie es für sie weiter gehen wird, wissen wir nicht. Was wir aber wissen ist, dass wir weiterhin solidarisch an der Seite aller Beschuldigten stehen.
Der Umgang der deutschen und ungarischen Behörden und bürgerlichen Presse, wie der Bild, zeigt uns wieder einmal, dass konsequente antifaschistische Praxis nicht im Interesse der bürgerlichen Regierungen liegt. Das unfassbare Ausmaß der Repression, die harten Angriffe auf notwendige und legitime antifaschistische Organisierung ist ein Angriff auf uns alle!

Egal ob im Untergrund oder im Knast, unsere Gedanken sind bei euch, unsere Solidarität gilt euch allen, Wir wünschen euch Kraft für alles, was kommt!

Konsequenter, militanter Antifaschismus ist und bleibt notwendig.

Freiheit für alle untergetauchten und inhaftierten Antifas, Freiheit für Tobi, Maja, Hanna, Paula, Zaid, Johann, Moritz, Nele, Gino, Luca, Clara und Paul!

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