Oury Jalloh – Das war Mord

In Dessau ermordet, in Naumburg vertuscht – 20 Jahre Rassismus und Polizeischikane

Heute am 7. Januar 2025 jährt sich der rassistische Mord an Oury Jalloh durch deutsche Bullen zum 20. Mal. 20 Jahre die uns immer wieder gezeigt haben, auf den bürgerlichen Staat und seine Gesetze können wir nicht vertrauen.

Oury Jalloh, ein Asylsuchender aus Sierra-Leone, wird am 7. Januar 2005 in den frühen Morgenstunden von der Dessauer Polizei gewaltsam festgenommen und aufs Revier gefahren, obwohl von ihm wohl keine Gefahr ausging. In Gewahrsam wird er gefesselt, mit Händen und Füßen ans Bett gekettet. Die Bullen geben später an, ihn zum „Schutz vor sich selbst“ fixiert zu haben. Wenige Stunden später steht die Arrestzelle in Flammen, Oury Jalloh verbrennt bis zur Unkenntlichkeit.
Nach Aussage der Behörden, Suizid.

Oury Jalloh – Das war Mord!

Unzählige unabhängige Gutachten, die seitdem durch Jallohs Familie und Unterstützerorganisationen in Auftrag gegeben wurden, zeichnen ein grundsätzlich anderes Bild.

Versuche den offiziellen Hergang zu rekonstruieren, scheiterten allesamt. Mit einem einfachen Feuerzeug und ohne Brandbeschleuniger die Schaumstoffmatratze zu entzünden, wird von verschiedenen Sachverständigen als vollkommen unmöglich bestätigt. Auch der Zustand der Leiche stimmt nicht mit dem behördlich angegebenen Hergang überein. Das angeblich genutzte Feuerzeug, dass nie bei ihm gefunden wurde, tauchte erst Tage später im Labor auf, unter den ersten „Beweismitteln“ wird es nicht erwähnt. Spätere Gutachten belegen, dass das Feuerzeug unmöglich am Tatort gefunden worden sein kann.
Auch die Feuermelder auf der Wache schlugen nachweisliche mehrfach Alarm, wurden aber vom Dienststellenleiter ignoriert oder abgeschaltet. Aussagen, die diese Tatsache bestätigten, zogen die entsprechenden Bullen später zurück.
Eine zweite Autopsie bestätigte außerdem, dass Jalloh schon vor seinem Tod mehrere Rippen und das Nasenbein gebrochen wurden und ihm außerdem schwere Kopfverletzungen zugefügt wurden. Die Untersuchenden Ärzte sind sicher, dass ihm die Verletzungen bereits vor seinem Tod zugefügt wurden.

Was viele Angehörige und UnterstützerInnen von Beginn an befürchteten, stellte sich als wahr heraus. Oury Jalloh wurde von den Dessauer Bullen brutal ermordet. In der gleichen Dienststelle, in der Hans-Jürgen Rose 1997 dermaßen von den Bullen misshandelt wurde, dass er nur wenige Stunden nach seiner Freilassung an der Folgen seiner Verletzungen verstarb. In der selben Zelle in der 2002 Mario Bichtemann den Folgen einer „unüberwachten“ Kopfverletzung starb.

Nicht auf diesen Staat vertrauen

Die Dessauer Bullen weisen jede Verantwortung von sich. Sie behaupten Jalloh habe sich selbst, an Händen und Füßen angekettet, in einer gefließten Zelle auf einer Matratze mit brandhemmendem Überzug in Brand gesetzt.

Im Anschluss auf die Tat beginnen die Bullen den Mord zu vertuschen. Die Staatsanwaltschaft drängt auf schnelle Beisetzung des Leichnahms, weitere Untersuchungen, die seine Angehörigen forderten wurden ohne weitere Begründung abgelehnt. Die zweite Autopsie müssen Familie und UnterstützerInnen aus eigener Tasche finanzieren.

Die Verantwortlichen werden von ihren KollegInnen gedeckt. Verschiedene belastende Aussagen werden später zurückgezogen, im Laufe des Verfahrens verschwinden immer wieder Akten und verschiedene Aussagen und angebliche Beweismittel lassen riesige Lücken in der Erzählung offen.
Der zuständige Richter Steinhoff vezögert den Prozess zusätzlich, da er von Oury Jallohs Mutter Beweise für die Verwandschaft fordert. Später spricht er beide Angeklagten, den Dienststellenleiter Andreas S. und Hans-Ulrich M., trotz eigener Kritik an ihren Falschasussagen frei.

In der nächsten Prozessinstanz geht die respektlose Schikane der Angehörigen weiter. Im Beisein Jallohs Mutter schlägt die Richterin Methling erst vor den Prozess wegen „Geringfügigkeit“ einzustellen. Auf gut deutsch heißt das, es bestehe kein öffentliches Interesse an der Klärung des Mordes an Oury Jalloh.
Die gleiche Richterin lehnt später weitere Untersuchungen des Feuerzeugs, sowie Rekonstruktionen des angeblichen Tathergangs vehement ab. Bei einem später genehmigten Brandversuch wird den Angehörigen und ihren Anwälten Akteneinsicht verwährt, der Versuchsaufbau entspricht nachweislich nicht den Bedingungen in Zelle 5 und Ergebnisse werden erst über ein Jahr später veröffentlicht.

Diese Taktiken ziehen sich durch jeden Teil des Prozesses. Anträge auf unabhängige Untersuchungen werden immer wieder verweigert, eine Brandursache durch Dritte nie ernsthaft in Betracht gezogen. Stattdessen wird an der, in sich vollkommen widersprüchlichen, Erzählung der Dessauer Bullen festgehalten.
Immer wieder erleben Angehörige und UnterstützerInnen selbst Repressalien. Als die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh einen Hinweis auf den möglichen Täter an die Bundesanwaltschaft gibt, weisen diese jede Zuständigkeit von sich. Später wird die Wohnung des Tippgebers durchsucht und verschiedene Datenträger beschlagnahmt, der mögliche Täter dagegen wird nicht ein einziges Mal befragt. Ein Jahr später sagt ein Justizbeamter ebenfalls gegen einen Dessauer Polizisten aus, den er für den Mörder Jallohs hält. Die Konsequenz: ein Verfahren gegen den Aussagenden wegen übler Nachrede.

Nach unzähligen zurückgewiesenen Revisionen wird das Urteil gegen Andreas S. wegen fahrlässiger Tötung nach fast 10 Jahren rechtskräftig. Er wird zu einer Geldstrafe von 10.800€ verurteilt, ein Urteil wie ein Schlag ins Gesicht.

Jahre später bestätigen weitere gerichtliche Gutachten durch die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau eine Beteiligung Dritter als wahrscheinlichste Todesursache. Bevor das neu erstellte Gutachten jedoch für weitere Ermittlungen genutzt werden kann, wird das Verfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg entzogen und wenige Monate später wieder eingestellt.

Der Fall Oury Jalloh ist ein Paradebeispiel dafür, dass das „Recht“ nicht auf der Seite der breiten Bevökerung steht. Es war nicht einfach Inkompetenz, die die Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh verhinderte und dafür sorgte, dass seine Mörder nie für ihre abscheulichen Taten zur Rechenschaft gezogen wurden. Es war die aktive Vertuschung eines rassistischen Mordes in allen Instanzen bürgerlicher Justiz.

Rassismus bei deutschen Behörden ist absoluter Alltag, Racial Profiling und rassistische Übergriffe stehen auf der Tagesordnung. Auch rassistische Morde durch Bullen gab und gibt es in Deutschland unzählige.
Erst vor wenigen Wochen beispielsweise, wurden alle am Mord Mouhamed Dramé, einem 16-jährigen mit psychischem Problemen, beteilgten Bullen freigesprochen.

Im Kampf gegen den Rassismus in Deutschland können wir uns auf den Staat, seine Gesetze und Behörden nicht verlassen.

In Gedenken an Oury Jalloh, Mouhamed Dramé, Lamin Touray, Ertekin Özkan und alle Betroffenen rassistischer Polizeigewalt!

Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Tote durch deutsche Polizisten seit 1990

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