Kriminell ist das System!
In Deutschland wandern jedes Jahr rund 50000 soziale Gefangene in den Knast, weil sie verhängte Geldstrafen nicht bezahlen können. Das sind beinahe die Hälfte aller jährlich inhaftierten. Allein 7000 Menschen sitzen jährlich wegen fahren ohne Ticket. Die meisten davon werden mittels ohne Gerichtsverfahren angeordnetem Strafbefehls verurteilt. Legen die Angeklagten nicht rechtzeitig Widerspruch ein, oder kann trotz dessen der festgesetzte Betrag nicht bezahlt werden, droht der Knast. Und das betrifft jedem siebten der oder die zu einer Geldstrafe Verurteilt wurde.
Als kleiner Vergleich, bei Steuerdelikten ist es nicht mal jeder 40.
Dass oft Geldstrafen verhängt werden um von einer Haftstrafe abzusehen, erscheint einem mehr als absurd, wenn die verhängte Geldstrafe dann aufgrund fehlenden Geldes zur Haft führt.
Diese Strafen treffen natürlich hauptsächlich Menschen, die bereits ohne Knastbesuch sozial isoliert und oft mit finanziellen, psychischen oder Suchtproblematiken in ihrem Alltag konfrontiert sind. Rolf Jacob, der Leiter der JVA Leinestraße spricht dabei im Bildinterview von „Lebensuntüchtigen“ Menschen. Während man in Deutschland gerne von der Ersatzfreiheitsstrafe als Rückgrat der Geldstrafe spricht, steckt man am Ende Menschen in den Knast, die aus Geldmangel keine allgemein lebensnotwendigen Güter kaufen und Geldstrafen natürlich erst recht nicht bezahlen können.
Außerdem sitzen neben denjenigen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten müssen, haufenweise Menschen im Knast, die im Versuch der Armut zu entfliehen in die Kriminalität geraten. Hier in der JVA Leinestraße setzt sich die zweitgrößte Gruppe Gefangener aus Dealern und Drogenabhängigen zusammen, die aufgrund von Beschaffungskriminalität immer wieder zu Haftstrafen verurteilt werden. Durch die sich weiterhin verschlechternde ökonomische Lage für viele Lohnabhängige durch steigende Mieten, Inflation, Krisen oder die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, ist es kein wunder dass viele in Form von Kleinkriminalität; also Diebstählen, Hehlerei, dealen oder durch Betrug, versuchen einen Weg aus der Armut zu finden oder versuchen durch Drogenkonsum das Leben erträglicher zu machen. Diese Menschen bestraft die heuchlerische Bürgerliche Justiz doppelt so hart, um klar zu machen dass das bürgerliche Gesetz welches Eigentum und die Wahrung dessen in den Mittelpunkt stellt, über dem Wohlergehen von Menschen steht.
Deswegen sprechen wir von sozialen Gefangenen.
Während man sich also, mit dem richtigen, oder besser gesagt einem reichen Hintergrund, völlig ungehindert an Krisengewinnen bereichern, oder Millionen von Steuern hinterziehen kann und falls überhaupt eine Verurteilung folgt, die Geldstrafen locker weglächeln kann, ist es kriminell, sich kein Ticket für die Bahn leisten zu können oder das Abendessen im Supermarkt klauen zu müssen.
Sind dann erst mal alle im Knast, gilt in den meisten deutschen Bundesländern Arbeitspflicht. Das heißt im Klartext, dass du für bestenfalls 3 Euro in der Stunde arbeiten sollst und dein Knast oder irgendein Privatunternehmer mit deiner Arbeit Millionenumsätze macht. Auch die Arbeit im Vollzug soll sich ruhig wie eine Strafe anfühlen und ein Vorgeschmack auf das Leben nach der Entlassung geben, ackern bis zum Umfallen und das für einen Niedriglohn.
Dazu kommt dass auch in Deutschland der Gedanke an die Privatisierung von Knästen immer mehr Fuß fasst und es in Bayern und Sachsen-Anhalt erste Experimente mit teilprivatisierten Haftanstalten gibt. Schaut man sich Länder wie die USA an, ist es leicht abzusehen, wie diese Neuerungen die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie medizinische Versorgung in Haft nur zusätzlich verschlimmern werden. Dies zeigt wieder einmal deutlich auf welchen Stellenwert vor allem ökonomisch sowie Sozial benachteiligte Menschen in einem kapitalistischen Staat wie deutschland haben.
Dass das großerklärte Ziel der Resozialisierung durch wegsperren nicht ernst zu nehmen ist, zeigt sich offensichtlich. Trotzdem scheint man gesellschaftlich noch sehr überzeugt vom Konzept “Knast” für alle die nicht ganz ins Bild des Idealbürgers/ der Idealbürgerin passt.
Dass es so viele Gefangene in Deutschland gibt, die aufgrund finanzieller Schwierigkeiten Ersatzfreiheitsstrafen antreten müssen, verdeutlicht die tiefgreifenden Ungerechtigkeiten im Kapitalismus. Hier wird die Armut selbst zur Strafe, während Wohlstand den Zugang zur Freiheit bestimmt. Denn der Kapitalismus braucht Armut: er braucht Menschen die im Niedriglohnsektor oder der Arbeitslosigkeit festhängen um Reichtum und Profite zu generieren.
Eine wirkliche Bekämpfung von Armut und damit auch der Probleme die überhaupt erst zu sozialen Gefangenen führen ist im Kapitalismus nicht möglich. Solange die gesellschaftlich benötigten Produktionsmittel in den Händen einiger weniger liegen und Reichtum nicht gleichmäßig verteilt ist, solange wird es immer Armut geben.
„Denn es gibt nur 10 Münzen – nicht alle können neun haben.“
Dementsprechend ist die Aufrechterhaltung der “Ordnung” in unserer Gesellschaft, in erster Linie die Wahrung und der Schutz der bestehenden Eigentumsverhältnisse. Polizei und Justiz sorgen nicht für Recht und Ordnung sondern für einen möglichst widerstandslosen Kapitalismus.
Deswegen werden durchschnittlich knappe 200 Millionen Euro im Jahr verschleudert um Menschen wegzusperren, die sich ein Leben hier nicht leisten können, denn soviel kostet den Staat die Unterbringung aller Sozialen Gefangenen. Anstatt das Geld bspw. für kostenlosen ÖPNV, die Tafel oder Therapie- und Suchtberatungsstellen zu verwenden, wird lieber mit aller Härte gezeigt, dass es für arme Menschen hier keinen Platz gibt. Frei nach der neoliberalen Logik: wer kein Geld hat muss halt mehr arbeiten.
Doch wir sagen: Kriminell sind nicht die, die aufgrund von Armut mit dem Gesetzt in Konflikt geraten, sondern ein System das fortlaufend Armut hervorbringt für die Profite einiger weniger. In einer Welt, die vom Kapitalismus geprägt ist, werden Menschen immer wieder zu Opfern eines Systems, das auf Ungleichheit, Ausbeutung und ökonomischer Ausgrenzung basiert. Die Tatsache, dass Menschen Ersatzfreiheitsstrafen antreten müssen, weil sie Strafbefehle nicht zahlen können, verdeutlicht die Grausamkeit dieses Systems, das den Wohlstand einiger weniger über soziale Gerechtigkeit stellt. Der Kapitalismus institutionalisiert Armut und zwingt diejenigen, die bereits am Rande der Gesellschaft stehen, in einen Strudel aus Inhaftierung und sozialer Unterdrückung. Die Forderung nach Veränderung muss also in der Ablehnung dieses Systems und der Suche nach alternativen Strukturen liegen, die auf Solidarität und sozialer Gerechtigkeit basieren.
Da die Gefangenen abgeschnitten vom Alltag ihrer Liebsten und engsten sind, ist es unsere Pflicht als antikapitalistische und klassenbewusste linke, diesen Menschen zu zeigen dass sie nicht alleine, nicht vergessen und ein Teil unseres Politischen Kampfes sind.
Kriminell ist dieses System!
Kampf der Klassenjustiz!
Knastkampf heißt Klassenkampf!